Cousteau
- Satire -


Es war damals, an diesem verschneiten Januartag, mal wieder so wie es häufig unausweichlich ist, wenn unvollständige Informationen zwischen Menschen, an zur verbalen Kommunikation wenig geeigneten Orten, ausgetauscht werden, die unweigerlich dazu führen, dass die Gesprächspartner voneinander von Anfang an einen falschen Eindruck bekommen.

So war es auch in der folgenden Beziehungskiste.

An diesem kalten Tag suchte mich ein anscheinend nur Taufschein frommer Berufstaucher im Beichtstuhl auf, welcher sich bei mir mit dem klangvollen Namen Detlef Laurent Cousteau vorstellte. Im nachfolgendem werde ich diesen einmal mit dem Akronym DLC bezeichnen.
Es ging um dessen Probleme, welche sich in der Beziehung zu seiner neuen Freundin am Horizont abzeichneten, welche Jacqueline Campbelli hieß.

Als ich deren Namen hörte, hatte ich gleich irgendwie das Gefühl diesen oder einen ähnlich klingenden Namen in Funk und/oder Fernsehen schon einmal gehört zu haben.

Die Probleme der beiden begannen mit einer Unklarheit, wie sie so mal eben vorkommt, wenn man sich in der Disko kennenlernt und aufgrund der extrem lauten Hintergrundmusik nur schreiend miteinander unterhalten kann.

Pauli: "Wann war Deine letzte Beichte, mein Sohn?"

DLC (kleinlaut): "Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich an den Termin nicht mehr genau erinnern kann."

Pauli: "Wie viele Jahre sind`s denn her?"

DLC: "Also mindestens 10 Jahre."
Ich gebe zu, dass ich als Beichtvater bei solchen Gesprächseröffnungen schon keine rechte Lust mehr hatte, weiterzuarbeiten. Erst lassen sich diese Taufscheinchristen Jahrzehnte lang nicht bei der Beichte blicken und dann, wenn der Pott schon fast überkocht, kommen sie mit Panik in den Augen angerannt und erwarten Gottes Gnade und/oder meine Hilfe.

Pauli (mit leicht verlogen vorgetäuschtem Verständnis): "Na ja, das kann ja mal vorkommen. ..........Wo drückt denn der Schuh?"

DLC: "Also, ich habe in der Edeldisko "MAD MAN, MAD WIFE" vor einem Monat eine Super- Frau kennengelernt und wir haben uns gleich von der ersten Sekunde an super toll verstanden."

Pauli: "Ja, aber da gibts doch nichts zu beichten."

DLC: "Moment! ....Kommt noch! .........Also in der Disko hat die mir irgendwann die Frage gestellt, was ich beruflich mache und ich habe ehrlich gesagt, dass ich Berufstaucher bin, welcher Ländergrenzen überschreitend mit seinem Taucher Team mit der Erledigung von Spezialaufträgen im Dienste der Allgemeinheit tätig sei, aber zurzeit Urlaub hätte."

Pauli: "Ähh, ....dann trägst Du den Namen Cousteau doch wahrscheinlich, weil Du aus der Familie dieses berühmten Meeresforschers kommst. Oder?"

DLC: "Nein! Die Namensgleichheit ist völlig zufällig. Ich habe mit dieser Familie absolut nichts zu tun."

Pauli: "Oh! Ich kann mir vorstellen, dass es diesbezüglich schnell zu Missverständnissen kommen kann."

DLC: "Ja, genauso ist es auch gewesen. Als Jacqueline das hörte, war Sie sofort sehr aufgeschlossen und hat mir ins Ohr gebrüllt, dass sich das ja fast nach einer sozialen Tätigkeit anhöre. Ich habe dann wegen der lauten Musik zurück gebrüllt, dass dies im Prinzip schon stimme, da ich gewissermaßen als Berufstaucher im Dienste vieler Menschen tätig sei. ........Und dann habe ich Sie natürlich auch nach Ihrem Beruf gefragt und habe als Antwort bekommen, dass Sie Fotomodel sei."

Ich konnte mir schon denken, das hier schnell in der Konversation zwischen den beiden etwas schiefgelaufen war. Wenn ein Berufstaucher in der Edeldisko auftaucht, welcher mit Nachnamen auch noch Cousteau heißt, dann geht doch jeder davon aus, dass der sicherlich etwas mit dieser berühmten Forscherfamilie zu tun hat. Klar, dass der Typ dann für einige Frauen interessant wird, weil die sich durchaus vorstellen können, dass dieser doch eine gute Partie wäre und in diesem konkreten Fall gut zu einer vielleicht anstehenden Karriere als Fotomodel passen würde.

Pauli: "Das hört sich schon wieder alles zu schön, um wahr zu sein an."

DLC: "Ja, leider. Also, wir haben uns dann gleich für den nächsten Tag verabredet und alles lief gut, sodass wir nun schon 2 Wochen zusammen sind."

Pauli (stirnrunzelnd): "Ja und wo ist nun das Problem? Sag Ihr einfach, dass Du mit den Meeresforschern nichts zu tun hast."

DLC: "Nein, das geht nicht mehr, weil die sich gleich in der ersten Woche jede Menge Bücher von diesem berühmten Meeresforscher gekauft hat. Ihre Katze hat sie in CALYPSO umgetauft und ist mit mir gleich in den Kinofilm DIE SCHWEIGENDE WELT gegangen. Und dann hat sie mich auch noch darum gebeten, ihr meine Familie vorzustellen. ....Da kam ich irgendwie nicht mehr richtig raus. Ich gehe davon aus, dass es mit unserer Beziehung schnell zu Ende ist, wenn ich ihr die Wahrheit erzähle."

Pauli (beschwichtigend): "Also, wenn da wirkliche Gefühle zwischen euch beiden entstanden sind, dann sollte Deine Jacqueline die Wahrheit doch verpacken können. Schließlich hast du sie ja nicht direkt belogen, sondern nur nicht alles erzählt. ....Wir hatten sogar mal einen Bundeskanzler, der hat auf die Frage eines Journalisten, "ob ein Politiker seinem Volk immer die Wahrheit sagen müsste" geantwortet, dass der Politiker dies zwar immer tun sollte, aber dem Volk auch nicht immer alles erzählen müsste. Manchmal sollte der Politiker besser einfach mal seinen Mund halten und nicht alles was er weiß in der Gegend rum posaunen."

DLC (mit leicht gesenktem Kopf): "Mhm! Ja aber da ist noch etwas."

Pauli: "Und was?"

DLC: "Ich bin als Freelancer in einem sehr speziellen Bereich des Berufstauchens tätig, welcher recht außergewöhnlich ist und von vielen Menschen mit Vorurteilen betrachtet wird. .....Ich glaube, dass ich nach dem Beruf des Tatortreinigers, Madenzüchters, Knochenpräparators oder Body Farmer, den wohl unbeliebtesten Job in unserem Land habe. ..........Dafür werde ich für meine Tätigkeit aber mit bis zu 600 Euro je Arbeitstag entlohnt, was meiner Meinung nach kein schlechter Verdienst ist, wenn man mal berücksichtigt, dass ein Tatortreiniger nur ca. 3.500 EUR brutto im Monat verdient."

Pauli: "Nun ja, Geld ist nicht alles. Bist Du Minentaucher oder arbeitest Du als Taucher auf einer Ölplattform?"

DLC: "Nein, mehr im Schlamm."

Pauli: "Was? Im Schlamm?"

DLC (mit fester mutiger Stimme): "Ich bin Klärschlammtaucher! ............Ich weiß, jeder der das hört, fragt sich natürlich, wie sich eine solche Tätigkeit logisch begründet und warum einer so was beruflich macht. ....Die Antwort darauf ist recht einfach, da die Reinigung der Abwasserbecken durch einen Taucher erstens schneller ist und sich zweitens weitaus kostengünstiger für den Auftraggeber darstellt, als wenn man die Faultürme zur Vornahme von Innenreinigungen zuvor vollständig entleeren würde. .....Ich tauche im warmen Schlamm der Faultürme von Kläranlagen im Fünfer Team. .........Wichtig ist bei uns die Tauchkameradschaft, dass man sich aufeinander verlassen kann......... und man trifft sich mit den Kollegen natürlich auch nach der Arbeit noch und unternimmt etwas gemeinsam. ..........Deswegen möchten die anderen auch meine Jacqueline unbedingt kennenlernen. ....Die anderen Kollegen sind sozusagen meine Familie. .....Wenn man mal zu Zweit taucht, kann man in der Brühe zwar nicht viel vom Kollegen sehen, aber es ist wichtig diesen in seiner Nähe zu vermuten. Man muss mit dem Kumpel im wahrsten Sinne des Wortes durch dick und dünn gehen können, wobei bei diesem Job das Zähe und dicke Element überwiegt, da das Tauchmedium schon teilweise zäh wie Honig sein kann. ......Also meine Arbeitskollegen waren total begeistert, als die hörten, dass Jacqueline Fotomodel ist. ....Einer meiner Kumpel, welcher Kontakte zu unserem städtischen Recycling Betrieb hat, hat gleich vorgeschlagen Jacqueline beim anstehendem Wettbewerb der "Wahl der MBT" aufzustellen. Er sei sich sicher, dass diese dort sofort den ersten Platz abräumen würde."

Pauli (den Redefluss unterbrechend): "Was bedeutet denn MBT?"

DLC:"Das ist die Abkürzung für die diesjährige Wahl der Recyclingkönigin im Rahmen des Tages der offenen Tür auf den städtischen Recyclinghöfen. Also die dortige traditionelle Wahl der "Miss braune Tonne."

Pauli: "Na, ich bin mir nicht sicher, ob das das richtige für ein Model ist. War die denn schon mal bei GNTM?

DLC: "Nein, bis jetzt ist sie nur zu Butterfahrten, Kongressen und für kleinere Statistenrollen im Fernsehen angeworben worden.

Pauli: "Welche Aufstiegsmöglichkeiten hat man eigentlich als Klärschlammtaucher?"

DLC: "Im Faulturm geht's an der Sicherungsleine eigentlich für jeden am Ende immer nur nach oben."

Pauli: "Nein! Beruflich gemeint."

DLC: "Ach so. Man kann Tauchlehrer und Einsatzleiter werden, .......wenn man nicht aufpasst natürlich auch schnell verunglücken, da der Beruf nicht ungefährlich ist."

Pauli (im nachdenklichem fast philosophischen Tonfall): "Also meiner Meinung nach übst Du einen genauso wichtigen Beruf aus, wie die Leute von der Kanalreinigung und der Müllabfuhr. Wenn es Dich, Deine Tauchkollegen, die Müllabfuhr und Kanalreinigung nicht geben würde, dann würden bald unsere Klär- und Müllverbrennungsanlagen still stehen und wir würden an unserem eigenen Dreck und Müll ersticken. ......Du brauchst Dich Deiner Tätigkeit also keinesfalls zu schämen. Ganz im Gegenteil, es gehört schon eine gewisse Charakterstärke dazu, dass man bereit ist eine solche Tätigkeit auszuüben. ......Ich sehe hier aber trotzdem ein Problem, was aus Vorurteilen heraus resultiert, welche die Menschen nun einmal mit solchen Berufen verbinden. .....Ich sehe Dich hier im sehr gepflegten Outfit und wäre auch nie darauf gekommen, das Du eine solche Tätigkeit ausübst. .....Warum? ........Weil auch ich nur ein Mensch bin und auch nicht ganz frei von solchen Vorurteilen bin. ..........Albert Einstein soll mal gesagt haben, dass es leichter ist einen Atomkern zu spalten als ein Vorurteil und von Jean-Jacques Rousseau wird überliefert, dass er gesagt hat, dass nichts für Liebhaber gefährlicher ist, als die Welt der Vorurteile. ........Wenn ich mich jetzt in die Gedankenwelt eines Fotomodels hineindenke, dann kann ich mir aber vorstellen, dass hier ordentliche Probleme auftauchen werden. ....Vielleicht habe ich und viele andere Menschen aber auch wiederum Vorurteile, über die Gefühls- und Gedankenwelt eines Fotomodels. .....Wenn man die auf dem Catwalk sieht, hat man bei einigen von denen auch nicht gerade sofort das Gefühl, dass diese erfolgreich nebenberuflich noch mit Aktien an der Börse spekulieren können. ......Ein großes Problem ist hier das Thema, welche Vorurteile bei der Körperpflege und Hygiene haben unsere Mitmenschen gegenüber solchen Berufen. .......Ein Fotomodel und ein Klärschlammtaucher? .....Mhm? .........Wenn das Model einfach geistig gestrickt ist, dann wird es damit Probleme haben sich zu so einer Liebe zu bekennen, denn es ist vielleicht etwas anderes, ob ich meinen Freundinnen sage, mein Freund ist ein Forscher, der in den Weltmeeren taucht oder mein Freund ist Klärschlammtaucher oder Tatortreiniger. ............................Ich kann mich aber auch täuschen."

DLC (leicht philosophierend mit etwas verklärten Gesichtsausdruck): "Körperpflege, Hygiene und Sauberkeit wird bei uns immer groß geschrieben. Mit einer anderen Einstellung würde man schnell schwer erkranken. ....Wenn ich nur daran denke, dass mir immer wieder Zeitgenossen mit Vorurteilen bezüglich unserer Hygiene kommen, dann möchte ich nicht wissen wie viele von denen sich nach dem Toilettengang die Hände nicht waschen. ......Wussten Sie, dass in Indien die Vertreter der Kaste der "kastenlosen Unberührbaren", also diejenigen die die unterste Stufe des Kastenwesens noch unterhalb der Stufe der Shudras bilden, genannt Dalits, Harijans oder Parias beim Kanalreinigen nur mit einem Lendenschurz bekleidet, in die Suppe, für 5 Euro am Tag, ....das muss man sich mal vorstellen.....für 5 Euro am Tag......wenn überhaupt.,.........bis zum Hals steigen, dann kann man schnell erkennen, das das bei uns in der westlichen Welt weitaus professioneller abläuft. Da gehen die Klärschlammtaucher mit technisch hervorragenden 60 kg Schutz-Tauchanzügen arbeiten, welche dafür Sorge tragen, dass man mit dem bakteriell verseuchten Medium, in dem man arbeitet, so gut wie gar nicht körperlich in Berührung kommt."

Pauli: "Ja, das müssen wir jetzt nur noch einem Model klarmachen, welches berufsmäßig wahrscheinlich eher Etepetete eingestellt ist."

DLC: "Ja! Und deshalb bin ich ja zu Ihnen gekommen. Ich habe gehofft, dass Sie mir hier helfen können. .......Was sagt eigentlich die Bibel zu meinem Beruf?"

Pauli: "Willst Du das wirklich wissen?"

DLC: "Ja, würde mich schon interessieren."

Pauli: "In Psalm 69,3 steht in etwa:"Ich versinke im tiefen Schlamm, da dort kein Grund ist" und unter Hiob 9,31 steht geschrieben "...so wirst du mich tauchen in Kot, und so werden mir meine Kleider greulich stehen"."

DLC (laut auflachend): "Tja, auch da kommt unser Berufsstand nicht gut weg!"

Pauli: "Es ist schön, dass Du das mit Humor nimmst, aber was machen wir nun mit Jacqueline? ......Also das mit dem Auftritt als "Miss braune Tonne" lassen wir glaube ich besser erst einmal. Ich glaube nicht, dass das gut ankommt."

DLC: "Ja und dann?"

Pauli (mit ratloser Stimme): "Ich weiß auch nicht so recht! So etwas hatte ich noch nie!

DLC: "Es muss eine schnelle Lösung her!"

Pauli: "Richtig! .....Deswegen sagst Du Ihr die volle Wahrheit. ....Mache aber nicht den Fehler mit Deiner Freundin dazu zunächst zur städtischen Kläranlage zu fahren, um ihr Deinen Arbeitsplatz deutlich zu machen. .....Ich glaube dann hat sich die Sache sehr schnell erledigt."

DLC (frustriert): "Wenn ich der reinen Wein einschenke, dann ist es aus. .......Da bin ich mir sicher."

Pauli (im aufmunternden Tonfall): "Wenn es wahre Liebe zwischen Euch ist, dann wird es nicht aus sein!"

DLC: "Glauben Sie das wirklich?"

Pauli (nach einigen Sekunden des Schweigens): "Wer hätte damals gedacht, dass die innerdeutsche Mauer so schnell fallen wird?"

DLC: "Also ich nicht!"

Pauli: "Ich auch nicht! .......Also hoffe immer auch auf das Unerwartete."

DLC: "Ist das realistisch?"

Pauli: "Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist!"

DLC: "Ist der Spruch von Ihnen?"

Pauli: "Nein, von David Ben-Gurion, glaube ich."

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