Tetzel 2000
- Satire -


Paulis Strategiepapier zur wirtschaftlichen Genesung angeschlagener Gemeinden.


Wenn man Bruder im Geiste ist, kommt man auch an den unschönen harten Realitäten des Lebens einfach nicht vorbei. So wurde auch ich eines Tages von meinen geistlichen Vorgesetzten aufgefordert einen Strategievorschlag einzureichen, der dazu beitrüge, die massiven wirtschaftlichen Probleme der meisten Gemeinden endlich mal wieder in den Griff zu bekommen. Es war damals deutlich geworden, dass u. a. die steigende Anzahl unerklärlicher Kirchenaustritte, zu Finanzierungslöchern, mit erschreckender Tiefe, zukünftig führen würden. Bis heute ist mir völlig unverständlich, wieso meine folgenden Vorschläge bei meinen geistlichen Vorgesetzten damals absolut kein Gehör fanden. Vielmehr wurde ich von diesen schriftlich dringend gebeten, über meine folgenden 9 Thesen absolutes Stillschweigen zu bewahren. .......Ich weiß gar nicht welche Probleme die mit meinen Vorschlägen hatten. Die können doch froh gewesen sein, daß ich nicht 95 Vorschläge gemacht habe, wie Martin L. damals.

Ich gliederte meine Sanierungsvorschläge in meinem Strategiepapier TETZEL 2000 wie folgt auf:

1. Einführung von Speed Hochzeiten / Gemeinschaftshochzeiten / Fun-Hochzeiten:

In einer immer schnelllebigeren Zeit können wir uns der Tatsache nicht verschließen, dass Ehen, welche eigentlich für die gesamte Lebenszeit der Eheleute gedacht sind, häufig nicht länger als 3 bis 7 Jahre halten. Wenn überhaupt. Zeitlich ausufernde Traufeiern im Kirchengebäude ergeben somit für die Zukunft keinen richtigen nachhaltigen Sinn mehr. Die entsprechenden feierlichen Messen sind zeitlich so zu straffen, dass der Pater an einem Tag durchaus die dreifache Anzahl an Trauungen realisieren kann. Dies bringt nicht nur eine deutliche Umsatzsteigerung für die Pfarre (Einnahmen von Organistenvergütungen, Einnahmen durch Organisation des Blumenschmucks, Erträge durch sonstige Dienstleistungen, wie Glockengeläut, übliche Spendeneinkünfte etc.), sondern auch Kostenersparnisse für die zukünftigen Eheleute, da z. B. ein teures und aufwendiges Blumenbukett von mehreren Heiratenden gemeinsam, zeitlich hintereinander, oder auch gleichzeitig, genutzt werden kann. Weiterhin könnten Gemeinschaftshochzeiten durchgeführt werden. 3 Brautpaare zeitgleich abzufertigen, welche zeitlich gemeinsam vor dem Altar stehen, dürfte kein Problem sein.

Weitere Einkünfte könnte man durch die Einführung eines FUN-Faktors erzielen. So ist es u. a. überlegenswert, ob man Ideen aus LAS VEGAS nicht auch in unserem Land realisieren kann. Die vertragliche Verpflichtung einer ortsnahen Künstleragentur (Anm: Hierdurch zusätzliche Provisionserträge für die Pfarre!), zur Bereitstellung eines ELVIS Imitators im Anschluss an die Trauungszeremonie könnte zu überregionalen Interesse und zur Steigerung der Traunachfrage führen. Es wäre sicherlich ein toller Spaß für alle, wenn dieser Imitator, in einer Pfarre, welche in einem sozialen Brennpunkt liegt, das Lied "In the Ghetto" intoniert.

2. Ausnutzung von Möglichkeiten, welche uns die technische Revolution aktuell bietet:

Hier wäre mein Vorschlag, das normale Kreuz auf dem Kirchturm durch einen Mobilfunkmast in Kreuzform zu ersetzen. Dadurch könnten zusätzliche Erträge von Mobilfunkdienstleistern generiert werden.

3. Einführung von Sammelterminen:

Erweiternd zu Vorschlag 1, könnte man Sammeltermine auch für Trauerfeiern, Beichten und Taufen einführen. Es ergibt sich die Frage, ob z. B. ein teures Taufbecken noch zeitgemäß ist. Ein Taufsammeltermin in der örtlichen städtischen Schwimmhalle mit gleichzeitiger Ablegung des Seepferdchens wäre denkbar und würde den FUN-Faktor (siehe oben Ziffer 1) erhöhen.

4. Ersatz von Priesterpersonalkapazitäten durch Manirads (Gebetsmühlen):

Zwei solide aufgestellte Gebetsmühlen, welche rechts und links vor der Kircheneingangstür positioniert werden müssten, könnten durchaus zwei bis drei Wochenmessen ersetzen. Hieraus ergäbe sich eine Personalersparnis und Kostenreduzierung. Zusätzlich würden wir Mitgliedern anderer Religionen, dass Konvertieren schmackhaft machen.

5. PENITENT DRIVE INN:

In einer Zeit, immer größerer Mobilität, könnte man für lauffaule notorische Sünder mit Beichtbedürfnis einen DRIVE INN Schalter im Seitenschiff des jeweiligen Kirchen-gebäudes bautechnisch installieren. Um die Nachfrage stabil zu halten, sollte neben der Lossprechung, für deren Sünden, gleichzeitig ein SNACK BAR Dienst (Bedienung erfolgt ebenfalls durch den Beichtvater) installiert werden.
Folge: Erlöse aus gastronomischer Nebentätigkeit.

6. Einführung einer ONLINE-Beichte:

Die Möglichkeiten der IT-Branche sollten konsequent genutzt werden. Schon lange habe ich Pauli, mich gefragt, warum man seine Sünden nicht 24 Stunden lang personal-sparend via Internet beichten kann. Der Bußwillige bekäme auf einer Homepage die 10 Gebote genannt und könnte dann mittels Mausklick entscheiden, welche Sünde er beichten will. Als Antwort bekäme er vorformulierte Satzbausteine angeboten, wie z. B. : "Bete 20 Ave Maria und Dir sei verziehen!" Für gebeichtete Straftaten wie Mord- und Totschlag erhielte der Büßer selbstverständlich zusätzlich dazu die Aufforderung sich bei der nächsten Polizeiwache umgehend zu stellen. Ergänzt würde diese Aufforderung durch die Einblendung der Visitenkarte einer örtlichen Strafverteidigerkanzlei, was dann natürlich zu Folge-Provisions-Erträgen führen würde.

7. Legalisierung und Modernisierung des derzeitigen "Untertisch Ablasses":

Sollte es in der Zukunft zu noch größeren finanziellen Engpässen in der "Gemeinschaft der Gläubigen" kommen, dann sollte an die Revitalisierung der Ideen von Johann Tetzel ernsthaft gedacht werden. Die im Jahre 1567 formulierte Exkommunikations Androhung bei durchgeführten Ablasshandel, sollte kirchenrechtlich auf Ihre Zeitgemäßheit überprüft werden. Meine Frage hierzu: Können wir uns solchen Rechtsluxus in Zukunft noch leisten?
Selbstverständlich könnte man auch im Außenbereich des Kirchenseitenportals einen Automobil freundlichen "ABLASS TO GO" Schalter einrichten. Der motorisierte Sünder braucht dann nur noch bis zum Schalter vorzufahren. Dort benennt er seine begangenen Sünden in der Vergangenheit und geplanten Sünden in der Zukunft und erhält, nach Entrichtung des saftigen Obolus, seinen Ablassbrief. Der Obolus könnte wahlweise in bar, mit EC-Karte oder auch mit einer Kreditkarte entrichtet werden.

8. Vorschlag zur zukünftigen Bildung von Wirschafts-Seilschaften:

Eine Trauerfeier ist eine wichtige Aufgabe im Leben des Geistlichen. Die Sterbebe-gleitung will gut geplant sein, d. h. auch im Vorfeld muss der bodenständige Pater zukünftig grundsätzliche kaufmännische Überlegungen anstellen, ob die Gemeinde-kasse am Trauerfall pietätvoll indirekt partizipieren darf oder nicht. Richtig ist, dass weiterhin zunächst mal für die Hinterbliebenen keine Kosten anfallen dürfen. Es ergibt sich aber zukünftig für den Kaufmann im Pastor Pauli die ständige Frage, warum andere begräbnisbegleitende Organisationen und Firmen Geld mit dem Trauerfall verdienen dürfen, während die Gemeinde leer ausgeht. Um hier zukünftig Gerechtigkeit einzuführen, ist Fingerspitzengefühl und Empathie angesagt, da es tunlichst unterbleiben muss, die Hinterbliebenen mit pekuniären Aspekten der Trauerfeier direkt zu belästigen.

Abhilfe kann hier für die Zukunft ein gut verzweigtes Netzwerk des jeweiligen Pfarrers in seiner Gemeinde leisten. Fromme Informationsquellen im Kreise der Polizei, der Krankenhäuser, der Altenheime, der Gemeinschaftsarztpraxen und der Beerdigungsinstitute könnten brandaktuelle Tipps geben, wenn ein Trauerfall ansteht. Erhält man z. B. von seinem Netzwerk oder von einer Familie die telefonische Information, dass demnächst eine Grabpredigt angesagt ist, weil der 99-jährige Opa "soeben entschlafen ist", ist zukünftig, dass Einhalten eines präzisen Ablaufplans denkbar.
Ein Anruf beim Kontaktbereichsbeamten, der örtlichen Polizei, könnte schnell klären, ob der Leichnam vom Arzt und/oder der Kriminalpolizei schon zum Abtransport freigegeben wurde. Sollte eine Freigabe erfolgt sein, könnte man sich zukünftig mit der Trauergesellschaft in Verbindung setzen und diesen ein ortsnahes Beerdigungsinstitut empfehlen, mit dem man vorher einen mündlichen Provisionsrahmenvertrag auf Ehrenwortbasis abgeschlossen hat. Dieses Institut könnte den Leichnam zügig abholen, bevor es ein Konkurrent tut. Nur am Rande sei hier erwähnt, dass es sich hier, in der Beerdigungsszene, um ein knallhartes Geschäft handelt, bei dem man sehr schnell sein muss, da auch hier der weise Spruch gilt:

"Der frühe Vogel fängt den Sarg!"

Hat der Pater im Vorfeld geschickt mit dem Beerdigungsinstitut verhandelt, wird dadurch zukünftig eine interne Provisions-Lawine in Gang gesetzt. D. h. an allen zukünftigen Umsätzen des Beerdigungsinstituts, der Sargmacher, der Grabredner und der Friedhofsgärtnerei etc. partizipiert auch wieder die Gemeindekasse.

9. Anbieten von Kaufmöglichkeiten sakraler Devotionalien und anderen Dingen, nach der jeweiligen Messe, auch durchaus mit lokalem Bezug:

Meine Vorschläge / Beispiele für Kaufangebote:

- Krokodilledergürtel mit vergoldetem Koppelschloss (Aufdruck: "Pauli segnete uns!").

- Christophorus Plakette 999er-Gold in Kreuzform (Aufdruck: "Pauli schütze Dich!")

- 3-teilige griechische Klappikonen-Imitate aus Zedernholz.

- Hölzerne Gebetswürfel mit frommen Gebetssprüchen

-100 Kg Jumbo-Packets mit indischem Königweihrauch plus großem Notventilator

- 3-D-Videoaufzeichnungen der kirchlichen Trauung, aufgenommen vom Gemeinde-Vertrags-Fotografen und auf DVD gebrannt, werden inkl. 3-D-Brille der Hochzeits-gesellschaft zum Kauf angeboten.

- Installation eines COLA-Automaten im Kirchenvorraum.

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