Giacomo Fragile
- Satire -

Vor langer Zeit, besuchte ich mal wieder meinen alten Freund aus schwerer Zeit Giacomo Fragile, unter Eingeweihten auch der Sanfte oder der Don genannt.

Er gehört zu den Mitgliedern der würdevollen Gesellschaft unserer Stadt, die sich durch Anstand, Gottesfürchtigkeit und unermüdlichen Bienenfleiß praktisch über Nacht vom Tellerwäscher zum Millionär hochgearbeitet hatten. Er war ein wahrer Christenmensch und betrieb in der ganzen Republik einige Hundert Nobelpizzerien und eine Importexportfirma mit 200 Lkw`s.

In der Kirche erschien er regelmäßig und setzte sich mit seinen 3 Töchtern, 4 Söhnen und seiner dicklichen aber lieben und stets hilfsbereiten Frau immer in die erste, mit Leder gepolsterte Kirchenbank, um dem Kreuze Christi und der damit verbundenen Glückseligkeit, ganz nahe zu sein. Wenn der Klingelbeutel herumging, scheute er sich nicht, regelmäßig tief in die Tasche seines maßgeschneiderten Nadelstreifenanzugs zu greifen, um aus dieser einen ordentlichen Obolus für die Armen in der Welt herauszufischen.

Nach der Messe erschien er regelmäßig, von einfacher Volksfrömmigkeit erfüllt und vom Geiste des Herrn beflügelt, bei mir im Beichtstuhl.

Nun, ich glaube, es ist kein Verstoß gegen das Beichtgeheimnis, wenn ich hier Zeugnis abgebe, dass es eigentlich immer nur Kleinkram war, den er seit Jahren beichtete. So z. B. vor zwei Wochen, als er zugab nach dem Zähneputzen abends, noch ein Bonbon genascht zu haben. Aber gerade das machte ihn so liebenswert.

Ich bekam gleichen einen VIP-Sitz draußen im Biergarten der Pizzeria von ihm zugewiesen, einen Sitzplatz, der eigentlich nur für die häufig hier anwesende Stadtprominenz reserviert war und wie es so in seinem Vaterlande Usus war, setzte er sich mit einem viertel Liter Frascati zu mir und sah zu, wie ich genüsslich die Pizza Diavolo verspeiste. Eine Spitzenpizza, die nur noch durch seine Pizza Omertà übertroffen wurde.

"Ach Giacomo", seufzte ich, "erzähle mir doch noch mal,wie damals alles angefangen hat, wie Du mit 20 DM in der Tasche am HBF Röln damals ankamst, mit kaputter Hose und verdreckten Rucksack und wie Du Dich damals spontan entschlossen hast gottgefällig mit dem Pfunde zu wuchern."

Ja, darum brauchte ich ihn nur einmal zu bitten, denn nichts erzählte er lieber als seine persönliche Erfolgsgeschichte.

Damals kam er also im HBF Röln, völlig abgebrannt an und fand heraus, dass die Literflasche Milch in Rüsseldorf 10 Pfennig billiger war, als in Röln. So wanderte er jeden Tag von Röln nach Rüsseldorf, kaufte dort 20 Liter Milch, um die Milch dann, mit dem Rucksack, nach Röln zurückgekehrt, mit 5 Pfennig Aufpreis pro Liter, dort wieder zu verkaufen. So machte er satte Tagesgewinne, die er voller Sparsamkeit auf einem Sparbuch 2 Jahre lang ansammelte. Nach 2 Jahren machte er mit diesem hart ersparten Geld dann seine Import-Exportfirma auf.
Natürlich hat er erst einmal klein mit 50 Lkw`s (a` 7,5 Tonnen) angefangen, denn zu mehr reichte das Geld damals noch nicht und er hatte sich geschworen, niemals Schulden bei einer Bank zu machen, sondern alles aus dem hart Ersparten bar zu begleichen.

Tja, so fuhren seine Lkw `s dann von Röln nach Ramsterdam. Von Ramsterdam nach Rankfurt.
Von Rankfurt nach Ristanbul und dann weiter in den "Rahen Osten" oder auch mal ins "Goldene Dreieck."
Und jedes Mal kehrten sie nach langer Fahrt, wieder vollgepackt mit den guten Früchten fremder Länder in ihren Heimathafen Röln zurück.
Von dem vielen Geld, was er damit verdiente, kaufte er sich nach und nach immer mehr Betriebe und spendete auch reichlich den Armen.

In der Zeit und für den seltenen Fall (so drei - bis vier Mal im Jahr), dass einer seiner emsigen und schweigsamen Fahrer, aufgrund eines in diesem Fahrjob nicht unüblichen Verkehrsvergehens mal wieder für 3 - 4 Jahre ins Gefängnis musste, hatte Fragile regelmäßig für dessen Familie gesorgt. Und nachher, nach der Zeit der Gefangenschaft, wurde der Fahrer selbstverständlich wieder eingestellt.

Ja, so war es gewesen.

Ehrfürchtig hörte ich zu, und ich muss gestehen, diese Lebensgeschichte faszinierte mich jedes Mal aufs Neue. Ich hob mein Glas und wollte ihm gerade anerkennend zuprosten, als plötzlich ein schweres Motorrad um die Ecke gerast kam und am Ende einer ca. 20 Meter langen Bremsspur, etwa 10 Meter von uns entfernt stehen blieb. Auf dem Krad saßen zwei schwarz gekleidete Gestalten, die aussahen, als wären diese einem schlechten Ninjafilm entsprungen. Ich sah nur noch, wie der Beifahrer auf dem Hintersitz eine leichte MP aus einer Ledertasche riss, und auf den Don anlegte. Dieser, anscheinend kampferfahrener als ich vermutete hatte, machte eine blitzschnelle Flugrolle und entkam in Sekundenschnelle durch die Eingangstür ins Innere der Pizzeria, wohl um dort Schutz zu suchen bzw. von dort aus die Polizei um Hilfe zu rufen.

Eine knatternde MP-Salve löste sich und die Schaufensterscheibe zersprang in tausend Teile. Querschläger jaulten mir um die Ohren und ich warf mich zu Boden, wohlahnend, dass für mich der Jüngste Tag gekommen war. Der Kradfahrer warf einen eiförmigen Gegenstand durch die kaputte Schaufensterscheibe, das Motorrad heulte auf und verschwand blitzschnell in einer Seitengasse. Das letzte was ich vernahm, war eine gewaltige Explosion die eine Sammlung von blank geputzten Pizzablechen zig-Meter weit durch die Luft schleuderte.

Dann war ich wohl ohnmächtig geworden.

Als ich erwachte, stand ein Polizist über mich gebeugt und fragte: "Was machen Sie hier denn, Hochwürden? Haben Sie etwas Sachdienliches gesehen oder haben sie sich verlaufen?" Ich stand geschwind auf und sagte: " Ich bin hier nur zufällig vorbeigegangen und die Explosion traf mich völlig überraschend, die Opfer kenne ich nicht und die Täter habe ich nicht gesehen, da ich gerade in eine andere Richtung blickte, als es geschah. Dies versichere ich an Eides statt und Gott soll mein Richter sein und mir den linken Arm nehmen, wenn ich lüge."

Ich hatte mit Absicht den linken Arm als Buße gewählt, weil man ohne den Rechten heute schlecht auskommt.
So ließ man mich gehen.

Gott sei`s gepriesen!

Zum Schluss möchte ich noch an dieser Stelle folgendes kundtun:

Es ist wirklich unglaublich, was für ein Gezumpel heut zutage frei herumlaufen darf, dass ungehindert wehrlose, unschuldige und hoch angesehene Bürger dieser Stadt ungestraft beschießen darf. Es wird höchste Zeit, dass die Polizei mal härter durchgreift, damit es hier wieder sicherer wird.

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