Der Stauberater
- Satire-

©Nikolas Storzenbrecher©



Prolog:
Der folgende Dialog ist absolut frei erfunden und völlig unrealistisch.

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Jüngst fuhr ich auf der A1 Richtung Hamburg – Bremen – Dortmund, als der Verkehrsfluss plötzlich aus mir unerklärlichen Gründen mal wieder zum totalen Erliegen kam.

Ordentlich, wie es sich für einen Autofahrer und Stau Opfer (SO) geziemt, positionierte ich mein Vehikel möglichst rechts, um beim Aufbau der Rettungsgasse behilflich zu sein. Rechts neben mir war praktisch nur noch der Standstreifen frei.

Nach ca. einer Stunde sah ich im rechten Seitenspiegel ein gelbes Motorrad mit Warnblinklicht über den Standstreifen von hinten heran-brausen. Ich stieg aus meinem Auto schnell aus und signalisierte dem Biker mit Handzeichen, dass ich eine Kontaktaufnahme wünschte.
Dieser war wohl Stau erfahren, bremste neben meinem Gefährt ab und gab sich allein optisch sogleich als Stauberater (SB) eines über-regionalen Automobilclubs zu erkennen, bei dem ich schon langjährig Mitglied war.

SB (klappte sein Helmvisier hoch):
"Hallo! Sie dürfen hier nicht auf dem Standstreifen herumlaufen. .......Das ist gefährlich! ......Wie kann ich Ihnen helfen?"

SO: "Sorry, aber ich wusste nicht, wie ich Sie sonst zum Anhalten bewegen konnte."

SB (ungeduldig): "Ja, worum geht es denn? Ich muss weiter."

SO: "Ich bin Mitglied in Ihrem Automobilclub und wollte mal fragen, was ich machen kann um aus dem Stau so schnell wie möglich wieder herauszukommen."

SB: "Da können Sie zurzeit gar nichts machen. Sie müssen, wie tausend andere auch, gefälligst abwarten, bis sich die Sachlage dort vorne geklärt hat."

SO: "Ja, was ist denn da vorne los?"

SB (mit vorwurfsvoller Stimmlage): "Ja hören Sie den keinen Verkehrs-funk? Da ist irgendwo ein Unfall mit einem Schwertransporter."

SO: "Ja und wie lange wird das noch dauern?"

SB: "Ja, woher soll ich das wissen? Bin kein Orakel!"

SO: "Sorry, ich dachte, Sie wüssten als Stauberater Bescheid."

SB: "Im Moment weiß ich gar nichts. Ich muss erst ganz nach vorne fahren, damit ich mich erkundigen kann."

SO: "Sie sind doch Stauberater und können mir sicherlich sagen, ob es sinnvoll ist an der nächsten Ausfahrt rauszufahren."

SB: "Hat alles keinen Sinn. Die Ausweichstrecken sind auch dicht."

SO: "Ja, was soll ich denn nun machen, ich muss in drei Stunden in Dortmund sein."

SB: "Sie können gar nichts machen, außer sich wieder in Ihren Wagen zu setzen und abzuwarten, bis die Polizei die Autobahn wieder freigibt."

SO: "Aha! Da wäre ich von allein gar nicht drauf gekommen. ....Haben Sie zufällig ein Getränk dabei? .....Ich habe seit Stunden nichts mehr getrunken."

SB: "Also ich bin Stauberater und kein Gastwirt. Wie stellen Sie sich das hier vor? Dass ich den Henkelmann auspacke, einen Klapptisch aufstelle und Sie mit einem drei Gänge Menü beköstige?"

SO: "Aber ich bin doch seit 20 Jahren Mitglied in Ihrem Club und dachte, dass man durch die Mitgliedschaft gewisse Vorteile hätte und Privilegien genießen würde, die Nichtmitglieder nicht haben."

SB (im schulmeisterlichen Tonfall): "Ja, da haben Sie aber falsch gedacht. Es gibt Sie nicht alleine auf der Welt. Unser Club hat Millionen Mitglieder. ......Wie stellen Sie sich das vor? Wie viel Hektoliter warmen Zitronentee soll ich auf dem Gepäckträger meines Motorrads mitschleppen, um die alle satt zu bekommen? Und wahrscheinlich wollen die dann auch noch alle lecker was essen? ...Das alles dann natürlich auch noch umsonst. Letzthin hat mich sogar einer gefragt ob ich ihm Free-Wlan ermöglichen könne. ....Wir sind doch keine fahrenden Funkmasten bzw. mobile Gulaschkanonen auf Abruf! ......Was meinen Sie eigentlich, was wir alles so am Tag zu tun haben?"

SO: "Mhmmm? Also eine richtige Stauberatung bekomme ich von Ihnen als Stauberater anscheinend nicht. Zu Trinken gibt es auch nichts. Mhmmmm? ....Welchen Sinn haben Sie eigentlich? Wozu zahle ich dann eigentlich meine Mitgliedsbeiträge?"

SB (verständnislos den Kopf schüttelnd): "Ja, das weiß ich doch nicht, was Sie damals dazu gebracht hat den Aufnahmeantrag bei uns zu stellen. .....Aber ich muss nun wirklich weiterfahren und über-prüfen, was da vorne ein paar Kilometer weiter los ist."

SO: "Und wenn Sie den Grund des Staus und die ungefähre Wartezeit, welche wir hier auf der Bahn dadurch noch haben herausgefunden haben......, kommen Sie dann zurück und informieren Sie uns darüber?"

SB: "Also, um das ein für alle Mal klarzustellen, ich fahre hier Stau-Streife um Präsenz zu zeigen und mehr nicht. Ich bin nicht dazu da, sinnlos den Highway rauf und runter zu fahren und FROHE BOTSCHAFTEN wie ein Pastor zu verkünden."

SO: "Das heißt, dass es Ihnen nur wichtig ist, dass Sie hier mit Ihrem gelben Motorrad und dem großen Club-Akronym von möglichst vielen im Stau gestrandeten Vereinsmit-gliedern gesehen werden, ganz nach der Devise "SEHT HER! DER CLUB KÜMMERT SICH!" ...Das kann doch wohl nicht wahr sein?"

SB (etwas kleinlauter): "Na, so ganz stimmt das nicht. Wir zeigen unseren Mitgliedern, dass wir immer bei Ihnen sind und zusammen eine große Gemeinschaft bilden, bei der die Club-Soldaten, also z.B. wir als Motorradstreifen, die Stau-Gestrandeten auf ihrem Warte-Leidensweg begleiten. Bei der Feuerwehr gibt es Notfallseelsorger und wir sind sozusagen Stauseel-sorger."

SO: "Ja, begleiten......, aber was nützen Sie mir dadurch? ...Was bekomme ich für meinen jährlichen und nicht unerheblichen Mitglieds-beitrag von Ihnen im Stau nun als Gegenleistung?"

SB: "Ja zum Beispiel dieses Gespräch! Es ist kostenlos und im Mitgliedsbeitrag enthalten!"

Danach klappte der Stauberater wieder sein Helmvisier runter, gab Gas und verschwand grußlos.

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