Dark Wedding
- Satire -


Irgendwann vor Jahren, als ich noch im halben Tiefschlaf lag, klingelte früh morgens erbärmlich laut das Telefon in meiner Kemenate. Mit dem Gesicht voran noch im flauschigen Biberkissen dösend, ertastete ich blind mit dem linken Arm den Telefonhörer meines W49 FS Bakelitelefons und murmelte "Ja bitte?" hinein.

"Guten Morgen Herr Pauli, mein Name ist Dr. Josef S.Eele", kam es krächzend aus der Hörmuschel," ich bin Mitglied des Führungsstabs des SEK und darf Sie bitten......"

Pauli (den Redeschwall murmelnd unterbrechend):,,Hören Sie mal Herr Seele, wie spät ist es eigentlich?"

S.Eele:,,...Ähhh...halb 5 ..."

Pauli (erbost den Hörer auf die Gabel knallend):,,...Ich glaub ich spinne....!"

Nach diesem kurzen Gespräch, mit einer mir wildfremden Person, welche sich offensichtlich im Telefonanschluss zu unchristlicher Tageszeit geirrt hatte, zog ich das Biberkissen wieder über den Kopf und entschlummerte selig aufs Neue für kurze Zeit.

,,RING.....RRIINNGG.....RRRIIINNNGGG..", klingelte es erneut nach ca. einer viertel Stunde.

Erst wollte ich gar nicht an den Apparat gehen, tat es dann doch und führte den Hörer noch halb verschlafen erneut zum Ohr.

Das war mein Glück!

Pauli:,,Ja bitte? ...Sind Sie es wieder Herr Seele? Das darf doch nicht wahr...."

,,Nein!!",kam es donnernd aus der Hörmuschel, ,,lieber Bruder Pauli, mein Name ist Dr. T.Abernakel. Kann es sein, dass wir uns kennen?"

Ich erkannte die Stimme sofort. Das Blut gefror mir augenblicklich fast zu einem Eisklotz und ich stand innerhalb von einer Sekunde kerzengerade im Bett.

Pauli:,,ÄHHHH Du lieber Bruder Bischof? Zu so früher Stunde?"

Dr. T.Abernakel (mit verärgerter Stimme):"Man hat mich eben über das Notfalltelefon der Kreispolizeibehörde aus den Federn geklingelt, weil man Dich nicht ans Telefon bekam.Die brauchen Deine Unterstützung. In Deinem Pfarrbezirk ist eines unserer Schäfchen ausgerastet. Seine Wohnung sollte gemäß einer richterlichen Verfügung zwangsgeräumt werden. Es handelt sich wohl um einen Mann mit einem Messie-Syndrom. Da Dein Gemeindemitglied als äußerst renitent bekannt ist, hat man die Räumung auf die frühen Morgenstunden des heutigen Tages gelegt um diesen im Schlaf zu überraschen. Leider hat der davon Wind bekommen und sich im Haus vorher verbarrikadiert. Gerichtsvollzieherin Schnüffel hat daraufhin die Polizei zu Hilfe gerufen."

Pauli:,,Ja und was habe ich in dieser Herrgottsfrühe damit zu tun? Die Polizei soll dem gefälligst die Tür eintreten oder durchs Fenster die Wohnung entern."

Dr. T.Abernakel (im lauten ungeduldig verärgertem Tonfall):,,Ja so schlau sind die auch! Der hat der Schnüffel durch die verbarrikadierte Tür zugeschrien, dass er das gesamte allein bewohnte Bungalow Haus mit Sprengstoff in die Luft jagen wird, sobald die Polizei das Haus zu stürmen versucht. Daraufhin wurde das SEK eingeschaltet und der Wolf ist vor dem Haus mit seiner Truppe aufmarschiert. Mit dem ganzen Equipment. Spähpanzer, Rammböcke, Taser, Maschinenpistolen, Sprengstoffhunde, Blendgranaten.... und und und..."

Pauli:"Wollen die da einen Krieg beginnen lieber Bruder Bischof? Ich verstehe immer noch nicht, was ich damit zu tun habe."

Dr. T. Abernakel:,,Bruder Pauli es ist nicht die Zeit für dumme Fragen und noch dümmere Witze! Der Messie wurde vom Polizeipsychologen Dr. Josef S.Eele mittels Megafon kontaktiert und hat diesem aus dem inneren des Hauses heraus zugeschrien, dass er nur Pfarrer Pauli als Verhandlungspartner akzeptieren würde. Käme jemand anders durch die Tür, gäbe es eine große Explosion!"

Pauli (mit entrüsteter Stimme):" Mit Verlaub Bruder Bischof, ich bin froh, dass ich meinen damaligen Auslandseinsatz in Mexiko lebend überstanden habe. Ich will nicht schon wieder in so eine brenzlige Situation kommen, ich denke....."

Dr. T. Abernakel (Paulis Satz ergänzend):....., dass wir Weicheier und Warmduscher als Pastoren sehr gut auch auf unserer Missionsstelle in Alaska gebrauchen könnten. Ich hoffe Du verstehst, was ich meine! Weiterhin steht da auch schon ein Satellitenwagen von Ecclesia-International-TV am Ort. Keine Ahnung wie die so schnell davon Wind bekommen haben. Und nun steh auf, zieh zügig Deine Kluft an und melde Dich umgehend Ecke Würgerstrasse Taubenhofallee. Dort steht der Einsatzcontainer des SEK."

Ich hatte kaum meine Kluft angezogen, als es auch schon an meiner Haustür Sturm klingelte. Ein Polizeifahrzeug stand als Taxi vor der Tür und transportierte mich mit Blaulicht und Martinshorn in rasender Schnelle zum Ort der Eskalation. Als wir an der Würgergasse angekommen waren, musste sich das Polizeifahrzeug schon durch eine beträchtliche Ansammlung von Gaffern schlängeln, welche sich vor dem polizeilichen Absperrungsbereich bereits formiert hatte. Einige der Katastrophenfetischisten hatten Ferngläser mitgebracht, andere ließen lautstark über Allbereichs Handscanner den Polizeifunk laut live ertönen. Toni Scarpese, ein mir persönlich bekannter Inhaber einer mobilen Eisdiele hatte sich schon, mit der obligatorischen Zigarette im Mundwinkel, an einer günstigen Stelle positioniert und pries über die Lautsprecheranlage seines Eiswagens lautstark "EISCREME UND COLA" zum Verkauf an.

Kurz vor dem Kommandocontainer des SEK bemerkte ich einen Polizisten, welcher in einem Antidetonationsanzug eingekleidet war und watschelnd wie das Michelin-Männchen verzweifelt versuchte in eine Dixi-Toilette zu kommen.

Als ich die Tür zum Container öffnete, wurde ich von Hasso Wolf gleich freundlich begrüßt.

Wolf (im barschen Tonfall):,,Das sind Sie ja endlich! Das wurde auch höchste Zeit! Kommen Sie bitte sofort zum Kartentisch, damit ich Sie einweisen kann."

Um den Kartentisch herum hatte sich illustres Publikum versammelt.

Da waren im Einzelnen:

- Der Leiter des Sondereinsatzkommandos (SEK) Hasso Wolf, bekannt durch waghalsige Hubschrauber Abseil- und Klettereinsätze auf Brückenpylonen.

- Die Gerichtsvollzieherin Gudrun Schnüffel, welche sich durch rigorose Taschenpfändungen in Spielwarenläden während der Weihnachtszeit einen überregionalen Ruf als Hardlinerin geschaffen hatte (Spitzname in Amtskreisen: Gudrun Gnadenlos).

- Herr Atan Scholle von Wedekamp, der Vereinsvorsitzende des örtlichen Vereins für Haus- und Grundbesitz (stellvertretend für den Hauseigentümer).

- Frau Ina Maria Roberta Deter, zuständige Sachbearbeiterin im zuständigen Sozialamt.

- Herr Gustav C. Rohr , Brandmeister der zuständigen Berufsfeuerwehr.

- Herr Dr. Josef S.Eele, Diplom-Psychologe als Verhandlungsspezialist, Kriseninterventionsmanager und anerkannter Stauforscher.

Wolf: ,,Alle mal herhören!! Das Haus des geistesgestörten Messies hat 6 Außenfenster. Und zwar (mit dem Zeigefinger dabei auf den Grundriss des Hauses tippend) hier...hier....hier...hier... hier..und hier. Alle Fenster des Bungalows sind von außen massiv vergittert und durch sämtliche Fenster können wir nicht reinsehen, weil diese von innen mit Müll gefüllt sind. Ein Blitzzugriff durch die Fenster ist dadurch nicht möglich. Das Dach des einstöckigen Flachbaus besteht aus Stahlbeton. Auch da ist nichts machbar. Theoretisch könnten wir mit dem Panzerspähwagen eine Wand einrammen. Dies würde nach Aussagen des Statikers aber die Gebäudestabilität so stark gefährden, dass ein Einsturz von Teilen des Hauses als Folge möglich wäre. Zudem wissen wir zurzeit nicht genau, wo der Typ sich im Haus aufhält. Erwischen wir ihn dadurch nicht sofort, könnte er die von ihm angedrohte Sprengung auslösen, bevor wir ihn ausschalten können. Kurzum, wir müssen durch die einzige Eingangstür. Selbst wenn wir diese aufsprengen und Blend- und Tränengasgranaten reinwerfen, hat er theoretisch noch genug Zeit die Zündung auszulösen. Auf Deutsch: Pater Pauli, Sie müssen uns hier als Vermittler aushelfen und den Geistesgestörten dazu überreden sich zu ergeben. Sie haben dazu 10 Minuten Zeit. Nach Ablauf der 10 Minuten werden wir Betäubungsgas in das Gebäude geräuschlos einblasen. Wenn alles gut geht, wird der Bekloppte mit Ihnen gemeinsam dadurch ohnmächtig werden. Wir holen Sie dann natürlich da raus. Ein Krankenwagen mit Notarzt steht für Sie bereit......Tut mir leid, dass Sie das alles mitmachen müssen, aber der Kerl hat ausdrücklich namentlich nur Sie als Verhandlungspartner benannt. .........Kennen Sie den überhaupt?"

Pauli:,, Nein! Kennen wir seinen Namen? Und warum machen Sie das nicht gleich mit dem Schlafgas? Dann könnte ich mir meinen Rambo-Einsatz sparen."

Wolf:,,Das Betäubungsgasgemenge setzen wir neben dem Mittel des finalen Rettungsschuss nur als Ultima Ratio ein, da der Einsatz, nicht ganz ungefährlich ist. Laut Einwohnermeldeamtsregister und Vermieter handelt es sich um einen gewissen Hans Dieter Pehlke. Mit diesem Namen hat er den Mietvertrag unter Vorlage eines Personalausweises damals unterschrieben. Das kann aber nicht stimmen, weil ein anderer Mitbürger mit den gleichen Namen und Geburtsdatum vor über 5 Jahren seinen Personalausweis polizeilich 100 Km von hier entfernt als verloren gemeldet hat. Es handelt sich hier also um eine gestohlene Identität."

Gudrun Schnüffel:"Das ist bei solchen Messies nichts Ungewöhnliches. Die besorgen sich manchmal auf dem Schwarzmarkt gefundene oder gestohlene Personalausweise, mit denen Sie dann als Mietnomaden Wohnungen unter falschen Namen anmieten. Dadurch schlüpfen Sie durch das Überwachungsraster bzw. den schwarzen Listen der Vermietervereinigungen, Schuldnerauskunftteien und der Inkassounternehmen."

Pauli:,, Also der Name Pehlke sagt mir absolut nichts."

Wolf:,, Okay, dann starten wir jetzt Herr Pauli. Die SEK-Beamten 1824 und 1834 begleiten Sie bis zur Eingangstür. Sie klopfen an, werden von dem Schwachkopf hoffentlich reingelassen und die 2 Mann Feuerschutz verschwinden sofort wieder, um den Typ nicht zu provozieren. Danach haben Sie genau 10 Minuten Zeit den Kerl zur Aufgabe zu überreden. Nach Ablauf der Frist wird mit oder ohne vorherigen Gaseinsatz gestürmt. Aber bevor ich es vergesse. Es ist üblich, dass derjenige, der zum Täter vordringt, in solchen speziellen Fällen vorher seinen "Letzten Willen" schriftlich bei der Einsatzleitung niederlegt. Man weiß ja nie!"

Pauli (mit erschrockener Stimme):,,Häää? Sie meinen ich soll mein Testament schon mal machen?"

Wolf (mit ungewöhnlich mitfühlendem Tonfall):,,Tja, es wäre wohl besser. Hier haben Sie Papier und Kugelschreiber. Bitte beeilen Sie sich aber."

Schnelltestament von Pater Pauli:

Hiermit erkläre ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, dass im Falle meines Ablebens mein gesamter Besitz meiner Haushälterin Frau Dagmar Schlonzke vererbt wird, da diese sich immer sehr liebevoll um mein Wohlergehen gekümmert hat.
gez. Pater Pauli.

Wolf (im unangemessen anzüglichen Tonfall das Testament entgegennehmend und kurz überfliegend lesend):,,Hahaha die Haushälterin mal wieder. Sie alter Schlawiner. Ihr könnts doch nicht lassen was? Von wegen Zölibat....Hahaha.... .So, 1824 und 1834, Ihr verkabelt jetzt kurz den Herrn Pauli mit Knopflochohrhörer und Mikro und dann nehmt Ihr den Pastor in eure Mitte und begleitet ihn zur Eingangstür des Bungalows. Das Mikro versteckt Ihr in seinem Kopfbirett. Los Leute! Auf geht`s!"

Nachdem man mich verkabelt hatte, führte Wolf noch kurz einen Test durch.

Wolf (nun über Funk in mein Ohr sprechend):,, 1 2 3 Test Test, hören Sie mich Pauli?"

Pauli:,,Ja, Sie sind nicht zu überhören! Lassen Sie uns nun anfangen, bevor bei mir noch die Vernunft siegt."

Die beiden SEK-Beamten zogen sich ihre Sturmhauben übers Gesicht und schoben mich, mit Maschinenpistolen bewaffnet an der Häuserwand des Bungalows entlang zur Eingangstür. Kaum dort angekommen verschwanden diese blitzschnell wieder.

Erst jetzt wurde mir klar, auf welches Himmelfahrtskommando ich mich hier eingelassen hatte. So stand ich nun da, in voller Kluft mit meiner auf Mass gefertigten Soutane für 400 Euro, verziert mit violetten Zingulum für 75 Euro. Dazu trug ich ein pechschwarzes Kopfbirett für 50 Euro mit einem Wanzenmikro. Als einzige Bewaffnung zur Selbstverteidigung hatte man mir mein gusseisernes 200-cm-Vortragekreuz zugestanden, was immerhin auch 1.000 Euro gekostet hatte. Ich gebe zu, dass mir trotz allem Gottvertrauen die Knie schlotterten. Aber zum Trost gereichte mir damals, dass ja auch der Papst in seinem Papamobil mit kugelsicheren Scheiben weltweit durch die Gegend fährt und sich anscheinend auch lieber auf die irdische als auf die göttliche Sicherheit verlässt, während er seinen Schäfchen Gottvertrauen predigt.


Noch 10 Minuten bis zum Zugriff.


Ich betätigte die Türklingel.

Pehlke (sofort von innen brüllend):,,Verschwindet! Oder es gibt eine Explosion!"

Pauli (mit dem Vortragekreuz zaghaft an die Tür klopfend):,,Lieber Herr Pehlke, ich bin`s doch nur, der Pater Pauli. Sie hatten nach mir gerufen."

Pehlke:,,Kommen Sie im Auftrag der Kieberer?"

Pauli:,,Nein, ich komme im Auftrag des Herrn! Ich will mit Ihnen sprechen."

Kaum hatte ich dies ausgesprochen, öffnete sich die Tür einen kleinen Spaltbreit. Pehlke lugte von innen misstrauisch durch die schmale Türritze und sah mich zunächst von unten bis oben prüfend an. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich sein Gesicht noch nicht voll erkennen.

Pehlke:,,Okay, so wie Sie ausstaffiert sind, können Sie nur ein Geistlicher sein. Außerdem erkenne ich Ihr Gesicht mit Schrecken wieder, Sie Priester der Finsternis. Ich trete nun von der Tür zurück und Sie kommen sofort rein und schließen die Tür wieder. Falls Sie verkabelt sind und die Polente mithört, dann sollen die draußen keine Scherze machen, sonst drücke ich auf den Zündknopf."

Pehlke schob zur Unterstreichung der Ernsthaftigkeit seiner Drohung eine Hand durch den Türspalt so weit nach draußen, dass die Leute vom SEK deutlich durch ihre Ferngläser einen roten Druckknopfschalter in seiner ausgestreckten Hand erkennen konnten, über dem sein Daumen drohend schwebte. Dann zog er die Hand blitzschnell zurück, riss die Tür auf und ich stolperte in die Diele des Bungalows. Kaum war ich drinnen, schlug Pehlke die Tür auch schon wieder zu, betätigte zweitourig das Innenschloss und arretierte diese zusätzlich von innen mit 2 Schubriegeln, je einen im unteren und oberen Drittel der Tür.

Obwohl es in der Diele relativ dunkel war, verschlug mir das Szenario und ein raumfüllender Gestank nach Abfall zunächst den Atem. Vor mir stand Pehlke mit freiem Oberkörper und lauerndem Gesichtsausdruck. Er hatte eine völlig verdreckte Jogginghose an, stank nach Fusel und hielt eine halb geleerte Flasche Whiskey in einer Hand. In der anderen Hand hielt er den vermeidlichen Auslöser für die Sprengladung. Auf seinem Oberkörper waren Kabel zu sehen, welche anscheinend zu 2 Sensoren führten, die in der Höhe seiner Herzgegend mit Klebeband auf seiner Haut fixiert waren. Weitere Kabel führten von dort zu einem etwa 2 Zigarettenschachteln großen Kasten, welcher an einem um den Bauch geschlungenen Gürtel befestigt war. Von diesem Kasten aus führten einige meterlange Stromkabel ins nächste Zimmer. Die gesamte Diele war fast bis zur Decke an den Wänden mit Müll gefüllt. Überall schwirrten Fliegen durch die Luft und aus den einzelnen Müllbergen waren deutlich raschelnde Geräusche von unbekanntem Getier zu hören. Im Müll erkannte man, zerplatzte Tetrapacks von Milchtüten und Billigwein, unzählige Verpackungsreste von diversen Pizzataxis, Speisereste, geleerte Bierflaschen, Zeitungen, Zeitschriften und jede Menge anderes Zeugs wie verdreckte Teddybären, Kunststoffkinderpuppen ohne Kopf und ohne Ärmchen, Werkzeug, kaputte Radios, alte Schallplatten und Fernseher....... . Dazu ein erbärmlicher Gestank, der eine Mischung aus Staub, Kochdunst, abgestandenem Fett und verwesenden Abfall war......Das war zu viel! Mir wurde schlecht und ich hatte das Bedürfnis mich übergeben zu müssen.

Pehlke (mir die Whiskey Flasche anbietend und plötzlich sonderbar mitfühlend):,,Trinken Sie erst mal einen Schluck Hochwürden, dann spricht es sich gleich besser."

Pauli (alle hygienische Vorsicht vergessend und einen tiefen Schluck nehmend):,,Vielen Dank!"


Noch 09 Minuten bis zum Zugriff.

Pehlke:,,Das ist sozusagen mein Messwein!"

Pauli:,,Bitte lassen Sie solche Witze! Es ist fast blasphemisch, solche Vergleiche zu ziehen. Wir wollen uns als Gesprächspartner doch gegenseitig respektieren, oder? Also Herr Pehlke, irgendwie kommen Sie mir bekannt vor. Die da draußen wissen, dass Pehlke nicht Ihr richtiger Name ist. Wer sind Sie wirklich und was wollen Sie? Irgendwo sind wir uns schon mal über den Weg gelaufen, da bin ich mir sicher. Haben Sie mal Musik gespielt?"

Pehlke:,,Jau! War bei Ihnen im Kirchenchor, als ich noch klein war. Habe damals immer als Mezzosopran das "In dulci jubilo" zur Weihnachtszeit an der Krippe vorsingen dürfen, weil Ihnen meine Stimme so gefallen hat."

In diesem Moment traf mich fast der Schlag der plötzlichen Erinnerung. Der, welcher vor mir stand und den Daumen am Zünder hatte, war kein anderer als Sammy Grillmeister, der Frontmann der späteren Death-Rockerband MOTORLÄRM, welche in einer früheren Pfarrei von mir lange Zeit Ihr Unwesen getrieben hatte.

Pauli (unsicher fragend):,,Sammy? Sammy Grillmeister?"

Pehlke:,,Jau! Jahre lang im Kirchenchor gewesen, dann irgendwann eine eigene Band gegründet und einen Proberaum im Kirchturm gehabt, bis Sie uns rausgeschmissen haben."

Pauli:,,Ihr habt Euch damals als spirituelle Tanzkapelle bei mir vorgestellt und um einen Proberaum im Kirchturm gebeten. Ich erinnere mich jetzt wieder."

Pehlke/Sammy:,,Ja, bis Sie uns rausgeworfen haben. Einer Ihrer Pfadfindertruppe hat mir beim Rauswurf damals ein blaues Auge geschlagen. Das war nicht nett!"

Pauli:,,Ja, tut mir leid, aber damals blieb mir nichts anderes übrig. Eure Musik war so laut, dass ich zwei Taufen unterbrechen musste, weil man am Taufbecken sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Ich habe ja versucht mit Euch damals zu reden, aber Ihr ward völlig verstockt, vorlaut und ständig besoffen. Ich bitte um Verständnis, so etwas konnte ich im Kirchturm nicht akzeptieren. Weiterhin wurde mir berichtet, dass ihr dort auch teilweise Gras geraucht habt. Da war endgültig Schluss, als ich das herausgefunden hatte...Nebenbei, Sammy, dass was Sie da auf der Brust angeklebt haben, sieht irgendwie wie ein EKG aus. Ist das echt?"

Das mit meinem EKG-Verdacht hatte Einsatzleiter Wolf offensichtlich per Kopfbirettmikro mitbekommen, da es plötzlich aber unhörbar für Sammy aus dem Ohrhörer quäkte:,,Verdammt! Ein EKG Zünder. Der zündet sofort, wenn der Herzschlag aussetzt. Dann müssen wir mit dem Gas ran, anders geht es nicht. Pauli, Sie müssen Grillmeister irgendwie dazu bekommen, dass er den zusätzlichen Druckknopfauslöser aus der Hand legt, bevor der ohnmächtig wird. Sobald das der Fall ist, rufen Sie einfach laut ins Mikro `EINBLASEN!!` Wir erledigen dann den Rest."


Noch 08 Minuten bis zum Zugriff.

Sammy:,,Ob das echt ist, werden die SEK-Leute noch rechtzeitig als Erste erfahren. Die können das ja Mal gerne ausprobieren."

Pauli:,,So weit wollen wir es doch erst gar nicht kommen lassen, oder? Mir ist aber immer noch nicht klar, was ich hier soll. Warum haben Sie gerade mich als Vermittler angefordert?"

Sammy:,,Weil Sie der schrägste Pater sind, den ich je kennengelernt habe. Sie haben, dass weiß ich noch aus den Kinderchortagen, auch einen schlechten Ruf bei Ihrem Bischof. Damit haben wir das gleiche Problem. Niemand mag uns! Aber kommen Sie mit, ich zeig Ihnen etwas."

Grillmeister drehte sich um und zwängte sich durch die Abfallberge bis zu einer Treppe, welche in den Kellerbereich führte und ebenfalls voller Müll war. Es war erstaunlich, wie lang die Elektroleitung der potenziellen Bombe war.

Grillmeister:,,Treten Sie bloß nicht auf einen der Drähte am Boden, sonst fliegen wir in die Luft."

Da war es fast auch schon geschehen. Auf der dunklen Treppe nach unten rutschte ich auf einer Bananenschale aus und stürzte fast kopfüber in den seitlich an der Treppenwand aufgetürmten Müllberg. Es war absolut widerlich. Nun waren meine Soutane, das Zingulum und das Kopfbirett völlig verdreckt. Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, sah ich deutlich zwei Ratten davonrennen, welche aus dem rechten Müllberg kamen, um sogleich wieder im Linken zu verschwinden.

Grillmeister (erbost):,,Mensch passen Sie doch auf, beinahe hätten Sie die Kontaktdrähte beschädigt."

Pauli (wütend, in einem Anfall von Tollkühnheit):,,Sonst geht es Ihnen aber gut was? Ich muss mich hier durch diesen widerwärtigen Dreck wühlen und Sie werden auch noch frech."

Grillmeister (inzwischen im Kellerraum angekommen):,,Sie sind doch so super schlau Herr Pauli, sicherlich haben Sie auch sofort eine passende Bibelstelle parat?"

Pauli:,,So einen ekligen Dreck in dieser Anhäufung kannten die Textquellen der Heiligen Schrift damals nicht. Aber passend wäre hier vielleicht Jakobus 1.21:

 Darum so legt ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit und nehmt das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt ist, welches kann eure Seelen selig machen.



Noch 07 Minuten bis zum Zugriff.

Im Keller angekommen, knipste der durchgeknallte Grillmeister eine Spotlampe an, die ihren Kegelschein auf einen Tisch fallen ließ, welcher in der Mitte des Raumes inmitten des Mülls aufgestellt war. Auf dem Tisch war eine Art Riesenhamsterkäfig mit einem Laufrad. Um den Käfig herum hatte Sammy an den Ecken altarähnlich je eine Kerze aufgestellt. Neben dem Laufrad war der Boden des Käfigs mit Holzwolle und Wattebäuschchen ausgelegt. Und auf diesem Boden aalte sich eine dicke fette weiße Albino Riesenratte, welche mich mit ihren roten Teufelsaugen an fixieren zu schien.

Pauli (voller angeekeltem Entsetzen):,,Was ist das denn?"

Grillmeister (mit irrem Blick und voller Ehrfurcht in der Stimme):,,Gestatten? Das ist WILDBARD, der Herr der Gegenwelt."

Das Vieh war enorm groß und wahrscheinlich eine Riesenhamsterratte (Cricetomys gambianus) aus Gambia. Auf einen meiner Missionsreisen hatte ich so ein Ding schon mal erschlagen auf einer Straße gesehen.

Pauli:,,Als ich eben fast die Treppe runter gefallen bin, da waren noch mindestens 2 andere Ratten, sind das etwa die netten Kumpels von WILDBARD?"

Grillmeister (mit lehrerhaft verklärter Stimme):,,Wildbard ist keine Ratte! Wildbard ist ein willensstarker König! Daher leitet sich auch sein Name ab. Die anderen Nager, welche hier im Haus rumlaufen gehören zu seinem Hofstaat und sind von niedrigerer Abstammung."

Es gibt Momente im Leben, da kann man einfach nicht mehr.
Ein solcher Moment war hier für mich gekommen. Ein vollkommener Psychopath lebte mit so einem Viehzeug in einer gottserbärmlichen Drecksbehausung unter einem Dach und verherrlichte auch noch ein fettes Nagetier, während draußen das SEK wartete, um in 6 Minuten den ganzen Schwachsinn mittels Betäubungsgas ein Ende zu setzen. Meine Kleidung war völlig verschmiert und verdreckt und ich hatte ein inneres immer stärker werdendes Bedürfnis, mich stundenlang übergeben zu müssen. Hätte ich mich mal für Alaska entschieden, als ich von meinem Bischof vor die Wahl gestellt wurde. Doch nun war es zu spät zu bereuen. Eine Lösung musste schnell her.

Pauli:,,So, dann habe ich Ihren Freund WILDBARD ja jetzt gesehen und dann können wir ja wieder nach oben gehen.....,...oder?"

Grillmeister (mit fester Stimme):,,Nein! So leicht ist das alles nicht."

Pauli:,,Was? Was kommt denn noch?"

Noch 06 Minuten bis zum Zugriff.

Sammy schlurfte, die Kontaktdrähte seiner vermutlichen Bombenmaschine hinter sich herziehend zu einem Müllberg in der Ecke des Kellers. In diesen sprach er, wie folgt, hinein.

Sammy (voller Glückseligkeit in der Stimme):,,Put Put Put..., ja wo isse denn die Kleine? Ja wo isse denn? Put put put! Komm zu Papa, alle sind da, es kann losgehen...."

Er hatte kaum ausgesprochen, als es im Müllberg auch schon schwer raschelte. Mit der Nase voran kroch noch so ein Untier aus dem Müll und sprang wie ein koboldartiger Aufhocker mit einem Satz auf Grillmeisters Rücken. Dieser schlurfte zum Riesenhamsterkäfig zurück und zündete mit einem Feuerzeug die 4 Kerzen an.

Sammy:,,Das ist Brunhilde, die Freundin von WILDBARD. Die beiden haben sich furchtbar lieb und werden heute heiraten. Die Trauung übernehmen Sie Pauli. Ist das nicht schön!? Deswegen sind Sie hier."

In dieser Sekunde wich mir das Blut endgültig aus dem Kopf. Mir wurde schwindelig und ich musste mich auf den Müllberg setzen, welcher sich hinter mir befand. Ich hatte mich kaum gesetzt, als rechts und links neben meinen Füßen 2 dicke Hofstaat-Ratten aus dem Müllberg heraussprangen und auf den Käfigtisch zuliefen.

Sammy (voller Verzückung):,,Schau Pauli! Wie herrlich! Die beiden Trauzeugen sind auch schon pünktlich da."

Grillmeister ließ die Hand mit dem Bomben Druckknopfzünder in seine Tasche gleiten, um diesen dort kurz zu parken. Dann ergriff er mit beiden nun freien Händen die Trauzeugen und hob diese behutsam auf das Dach des Hamsterkäfigs.

Dies war sein Fehler! Nun war endgültig Schluss!

Noch nie in meinem Leben war ich so entschlossen wie in dieser Sekunde.

Niemals würde ich an einer solch abartigen Rattenhochzeit mitmachen. Lieber würde ich mitsamt dieses verteufelten Müllhauses mit in die Luft fliegen.

Da Sammy durch die Hochzeitsvorbereitungen abgelenkt war, schaffte ich es mein Kopfbirett abzuziehen und zum Mund zu führen. In das dort verborgene Mikro schrie ich mit wilder Entschlossenheit:,, EINBLASEN! SOFORT!"

Wolf musste die Dringlichkeit der Situation wohl sofort erkannt haben, den einige Sekunden später wurde ich bewusstlos.

Wie man mir später erzählte, wachte ich nach 24 Stunden Tiefschlaf in einem Krankenhauszimmer wieder auf. An meinem Bett saß Hasso Wolf. Vom Bischof war nichts zu sehen.

Wolf (mit überraschend einfühlsamen Tonfall) :,,Mensch Pauli, da bin ich aber froh, dass es Ihnen wieder besser geht und Sie das so gut hinbekommen haben. Den Vollpfosten Grillmeister haben wir sofort in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Den haben wir ebenfalls selig schlummernd neben seinen Viechern gefunden. Total durchgeknallter Typ. Unglaublich das alles. Eine richtige Sprengladung gab es natürlich auch nicht. Alles reiner Bluff. Wir haben ja alles im Einsatzcontainer über Ihr Mikro permanent live mitbekommen."

Pauli:,,Was ist mit der Hochzeitsgesellschaft?"

Wolf:,,Die Rattengesellschaft hat das Narkosemittel insgesamt nicht überlebt. Wir mussten mit einer hohen Konzentration arbeiten, da wir nicht wussten, was Sammy G. so aushält. Im Moment sind im Haus die Müllabfuhr und die Tatortreiniger am Werk. Die meinen, dass Sie noch 2 Tage für die Innenleerräumung, Entseuchung und Säuberung brauchen werden, bis mit der Innensanierung des Hauses begonnen werden kann.......Aber ich habe da noch ein Fax von Ihrem Vorgesetzten bekommen, welches ich an Sie weiterleiten soll. Hier haben Sie die Nachricht......ich muss dann auch schon wieder gehen.....Alles Gute und danke noch einmal!"

Sprachs und verschwand durch die Zimmertür.

Mit immer noch zitterigen Fingern ergriff ich das Fax und las:

Lieber Bruder Pauli!
Schön das es Dir schon wieder besser geht. Ecclesia-International-TV war von Deinem Einsatz schier begeistert. Die Einschaltquote war so hoch wie schon lange nicht mehr.
Wir wollen aber nicht endlos in den Erfolgen der Vergangenheit schwelgen und sinnlos in Krankenbetten herumliegen, sondern uns auf zukünftige Ziele und Aufgaben konzentrieren. Da der Pfarrer Deiner Nachbargemeinde, Alois Quax, kurzfristig wegen einer Erkältung für 8 Wochen krankgeschrieben wurde, musste ich notgedrungen einen schon dort fest vereinbarten Trauungstermin auf Dich umschreiben. Gleich für morgen früh um 10 Uhr ist die Trauung angesagt. Bei den zukünftigen Eheleuten handelt es sich um Frau Konstanze Nagetier, geborene Laufrad und Herrn Hasso Rattus.
Ich gehe von Deinem pünktlichen Erscheinen aus.
Abschließend möchte ich noch rein vorsorglich bemerken, dass gemäß unserer Kleiderordnung eine Kostenerstattung in Höhe von 1.525 Euro, für den Verlust der Soutane,des Zingulum, des Kopfbiretts und des Vortragekreuzes nicht erstattungsfähig sind. Für solche Dinge ist der jeweilige Pater selbst verantwortlich.
Ich wünsche noch gute Genesung

gez. Dr. T. Abernakel
(nach Diktat in die Karibik verreist) 

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