Zwei Irokesen gegen Pauli 

- Satire -

 
    * Pilatus aber sprach zu Ihnen:"Was hat er Übles getan?" Aber sie schrien noch viel mehr: "Kreuzige ihn!"
    Markus 15,14 *


    Ich weis nicht mehr genau, wann es war, aber eins weis ich genau, dass ich diesen Tag nie vergessen werde.

Ich lag damals, um ca. 6 Uhr in der Früh, noch bis zur Nasenspitze zugedeckt in meinem flauschigen Biberbettwäschen Bett, als das zornige Klingeln meines W49-FS-Bakelitelefons ertönte und mich ein Brandanruf meines Bischofs Dr.T.Abernakel brutal aus meinen seligen Träumen riss.

Pauli (schlaftrunken den Telefonhörer zum Ohr führend):"Ja bitte? Wer spricht?"

Dr.T.Abernakel (in das Telefon brüllend):"Pauli, sind Sie eigentlich noch gescheit?"

Pauli (nun senkrecht im Bett sitzend):" Ähh lieber Bruder Bischof, ...Du?...Zu so früher Stunde? Was ist denn los?"

Dr.T.Abernakel (offensichtlich nach Luft schnappend):"....Was los ist? Was los ist?...Hast Du schon mal in die Tageszeitung geschaut?"

Pauli:"Nein, ich bin gerade erst aufgewacht, aber ich hol die Zeitung mal eben schnell.... "

Dr.T.Abernakel:"....Schau mal auf die Inserentenanzeige auf der ersten Seite unten rechts. Da hat eine Firma namens Ringo Rüpel & Freddy Ruprecht GbR eine Werbung geschaltet. ....Schau Dir das mal genau an...und wenn Dir dann klar wird, warum ich Dich dazu unverzüglich sprechen will, ruf mich sofort wieder zurück."

Danach knallte der Bischof den Hörer in die Gabel.

"Ringo Rüpel & Freddy Ruprecht GbR"? Irgendwie kam mir der Name gleich bekannt vor.
Ich verlies damals in Windeseile meine Liegestatt und hechtete im Nachthemd zum Briefkasten meiner Pastorenwohnung, voller Hoffnung, dass mir nicht wieder irgendjemand die Morgenzeitung geklaut hatte.
Ich hatte Glück, riss das Presseblatt aus der Postbox und sah mir sofort die beschriebene Annonce an.
Was ich da las, lies mir das Blut in den Adern gefrieren. Eine Firma "Ringo Rüpel & Freddy Ruprecht GbR" hatte eine große Anzeige geschaltet, welche auch bei tolerantester Betrachtungsweise "unter aller Sau" war. Auf der viereckigen Anzeige waren offensichtlich die Geschäftsführer Ringo und Freddy selbst abgebildet. Ringo hatte außer einem schwarz gefärbten Irokesen Haarschnitt, welcher mittig sein Haupt zierte, neben einer schwarzen Krawatte noch einen ledernen pechschwarzen überlangen Gestapo-Mantel an. Dazu trug er Springerstiefel. Auf seiner rechten Schulter saß dabei anscheinend eine große weiße Ratte. Sein Kompagnon Freddy war genauso gekleidet, mit dem Unterschied, dass sein Irokesenschnitt und seine Krawatte schneeweiß waren. Im Hintergrund dieser beiden frech in die Kamera grinsenden Punker, waren drei fächerförmig hochkant aufgestellte Särge zu sehen. Einer pechschwarz, einer Lila und der Dritte schneeweiß.
Über den Särgen war in der Anzeige ein halbkreisförmiger Banderolenschriftzug positioniert, welcher die Inschrift trug:

KAUFE DREI, BEZAHLE ZWEI!
IHR BESTATTUNGSINSTITUT RÜPEL & RUPRECHT GBR.
SEIT EINEM MONAT IM DIENSTE DES KUNDEN.
BEI UNS LIEGEN SIE IMMER RICHTIG!
TOP BEGRÄBNIS BEI DISCOUNTERPREISEN.
WIR FREUEN UNS AUF IHREN BESUCH!
FASTER !
HARDER !!
R & R GbR !!!

Ich musste bei so viel offen propagierter Respektlosigkeit zunächst einmal tief Schlucken, fragte mich aber auch gleichzeitig selbst, was ich mit dieser Firma eigentlich zu tun hatte. Noch, während ich über den Zorn von Dr.T.Abernakel sinnierte, las ich, ganz unten im Kleingedruckten der Annonce, die Geschäftsanschrift "Neuenbäckerhörderstr. 217".
Da fiel es mir plötzlich glühend heiß wieder ein.
Dieses Haus 217 war Eigentum meiner Pfarre. Es war ein Mehrfamilienhaus mit einem Ladenbereich im Erdgeschoss und einer großer Werkstatt im Hinterhof. Dieser gewerbliche Teil hatte lange leer gestanden. Vor ca. 2 Monaten waren 2 Interessenten, welche bis auf die fehlenden Sonnenbrillen starke Ähnlichkeit mit den legendären BLUES BROTHERS hatten und sich mir als Schreiner vorstellten, zu mir gekommen und hatten sich ein Exposé und ein Konzept des Pachtvertrages abgeholt. Da die beiden damals einen sehr gepflegten Eindruck auf mich machten und auch umgangsprachlich "auf der Höhe der Zeit" zu stehen schienen hatte ich diesen kurzfristig einen Schlüssel zur Ermöglichung einer obligatorischen Innenbesichtigung ausgehändigt.
Etwa 5 Stunden später waren die beiden wieder im Pfarrhaus aufgetaucht und hatten mir den bereits unterschriebenen Pachtvertrag ausgehändigt. Selbstverständlich war ich davon ausgegangen den Mietvertrag mit diesen beiden gut gekleideten Herren abgeschlossen zu haben und nicht mit zwei Irokesen, welche den Vertrag anscheinend in Wirklichkeit gegengezeichnet hatten. Des weiteren war von einer Nutzung als Bestattungsinstitut und/oder Sargmacherei nie die Rede gewesen. Die beiden hatten den Eindruck erweckt, dort nur eine allgemeine Schreinerei eröffnen zu wollen. .......Wie sollte ich diesen Fehler dem Bischof erklären? .......Zudem war der neue Pachtvertrag gleich auf 5 Jahre abgeschlossen worden.
Das durfte doch alles nicht wahr sein!
Da man unangenehme Dinge sofort erledigen sollte, rief ich meinen Chef, mit weichen Knien, umgehend zurück.

Pauli:"Eure Eminenz...ähhh...ich sollte zurückrufen, ich habe...... "

Dr.T.Abernakel (im fast seelsorgerisch mitleidigem Tonfall unterbrechend):".....Pauli Pauli, was hast Du Dir eigentlich dabei gedacht? Jetzt kennen wir uns schon so lange und immer wieder erstaunst Du mich aufs Neue."

Pauli (mit kleinlauter Stimme):"Ähh lieber Bruder Bischof, das ist alles ein totales Missverständnis..... "

Dr.T.Abernakel (unterbrechend):".....Weist Du eigentlich, was seit 5 Uhr 30 hier los ist? Die Telefonleitung glüht fast. Wir haben jetzt 7 Uhr und es liegen schon 25 Beschwerden von Bestattungsunternehmern vor. Zehn davon, mit einem großen Filialnetz in unserem Bistum und mit einer über hundertjährigen Familien Betriebstradition. Dir ist schon klar, dass der diesbezügliche Dienstleistungsmarkt seit über fünfzig Jahren intern streng aufgeteilt ist und dass viele Bestatter täglich um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen? Bestatter, welche unsere Bistumsarbeit seit Jahrzehnten mit regelmäßigen üppigen Geldspenden großzügig unterstützen. .........Der Markt ist von gnadenloser Härte......und....was machst Du, lieber Bruder? Du schließt mit einem aggressiv auftretenden Sargdiscounter der optisch übelsten Colour einen Pachtvertrag ab."

Pauli:"Also, das ist wirklich saudumm gelaufen!........ Ich gebe zu, dass ich kein Verdacht geschöpft habe, als die Blues Brothers mir den unterschriebenen Vertrag in die Hand drückten. Ich hätte verlangen müssen, dass die im Vertrag genannten Geschäftsführer Rüpel und Ruprecht diesen persönlich vor meinen Augen, unter Vorlage eines gültigen Personalausweises, unterschreiben."

Dr.T.Abernakel:"Blues Brothers?....Hast Du schon wieder was getrunken?"

Pauli:"Nein! Natürlich nicht! Da kamen zwei ordentlich gescheitelte Interessenten mit auf Hochglanz geputzten Schuhen an, welche wirklich wie die Blues Brothers aussahen. Ich habe nur mit denen gesprochen, weil ich meinte, dass das die Endmieter seien. Konnte ja keiner vermuten, dass das nur Strohmänner waren."

Dr.T.Abernakel:"Und bei Typen, die wie diese Blues Brothers aussahen, sind Dir keine Bedenken gekommen? Sehen so typische Schreiner aus? ......Die haben im Film über 60 Polizeiautos kaputt gefahren. ....Das also, nennst Du solide wirkende Geschäftspartner?"

Pauli:"Daran hatte ich doch gar nicht gedacht. Irgendwie sahen die aber solide aus, mit Ihren Maßanzügen und Hüten. Und eine Sonnenbrille hatten die beim Gespräch auch nicht auf."

Dr.T.Abernakel:"Soso! Schreiner die Maßanzüge tragen. .....Ich fasse es nicht mehr! Ich sehe es schon bildlich vor mir, wie die beiden Bluesfritzen mit frisch gestärktem weißen Businesshemd und Manschettenknöpfen ins moderige Loch kriechen, um dort mit Ihren auf Hochglanz polierten Lackschühchen eine Umbettung vorzunehmen. ......Auf wie viele Jahre läuft denn der Pachtvertrag?"

Pauli:"Auf 5 Jahre."

Dr.T.Abernakel:"Auch das noch! Das hat uns gerade noch gefehlt."
Pauli (nach einer beidseitigen Schweigeminute):"Eure Eminenz, was machen wir den jetzt?"

Dr.T.Abernakel:"Wieso wir? .....Die Frage ist, was kannst Du machen, um Deinen Kardinalfehler zu berichtigen."

Pauli:"Vielleicht könnte mich die Rechtsabteilung des Bistums dabei ja unterstützen?"

Dr.T.Abernakel:"Mein lieber Bruder, .....seit einigen Jahren, das dürfte Dir bekannt sein, haben wir alle unsere Formularpachtverträge europaweit auf den "Fairtrade contract agreement level" umgestellt. Die Verträge sind dadurch so formuliert, dass wir nur bei gröbsten Vertragsverstößen und nach zwei Abmahnungen des Pächters wieder aus dem Vertrag rauskommen. Selbst bei gravierenden Verstößen des Mieters müssen wir zusätzlich noch 2 Schlichtungstermine bei einem Mediator mit dem Vertragspartner absolvieren, bevor wir den Pächter auf die Straße setzen können. Dieses normale Verfahren dauert mindestens 18 Monate. So lange hängen wir am Fliegenfänger und solange werden die beschwerdeführenden Bestatter nicht abwarten."

Pauli (nachdenklich):"Dann muss ich mir wohl selbst was Außergewöhnliches einfallen lassen?"

Dr.T.Abernakel (im verschwörerisch leisen Tonfall):"Das muss sauber ablaufen! Ich will keine negative Presse, die uns als hinterlistigen konservativen Racheengel darstellt, der erst leichtsinnig Verträge abschließt und dann aufstrebende Start-up-Unternehmen juristisch und vielleicht auch finanziell gleich danach wieder vernichtet. Mein Name darf in diesem Zusammenhang auf keinen Fall fallen! Hast Du wenigstens das verstanden?"

Pauli:"Ja. War ja deutlich genug."

Dr.T.Abernakel:"So, wir beenden nun das Gespräch und Du tust, was Du tun musst. Der Herr wird Deine Hand leiten....., wenn Du Glück hast."
Danach beendete Dr.T.Abernakel das Gespräch.
Nach diesem Gespräch war mir klar, dass ich in die alte Trickkiste greifen musste, um die Irokesen aus der Neuenbäckerhörderstr. 217 so schnell wie möglich wieder raus zu bekommen. Zunächst musste ich den Betrieb auskundschaften, um Schwachstellen zu finden. Ich entschloss mich folglich zu einem Undercover Einsatz, der dadurch begünstigt wurde, dass die geschäftsführenden Punker mich ja persönlich gar nicht kannten. Ihr eigener Trick, mit dem diese mich "über den Leisten gezogen" hatten, sollte deren eigenes Verhängnis werden.
Ich rasierte mich zwei Tage lang nicht, zog eine optisch schon schwer mitgenommene schwarze Motorradlederjacke an, schlüpfte in meine ausgewaschenste schwarze Jeans, versah meinen Kopf noch mit einer ledernen Schlägermütze und stattet dem Ort des Schreckens einen Besuch ab.
Meine damalige Dienst-2-CV-Ente mit rabenschwarzer Lackierung und ohne Schleudersitz parkte ich keck genau vor dem Schaufenster des Bestattungsinstituts, damit die Firmengründer gleich den Eindruck bekämen, ein neuer Grufti würde sie besuchen.
Zunächst inspizierte ich die Schaufenster von außen.
Mit einer angemessenen pietätvollen Dekoration hatte man sich erst gar keine Mühe gegeben. In den zwei großen Schaufenstern lagen drei verschiedene geschlossene Särge. An diesen hatte man je ein gut lesbares Informationsschild angebracht, auf dem stand:

ANGEBOTE DER WOCHE:
SPERRHOLZSARG Marke Pavillon 100 EURO
KIEFER-VOLLHOLZSARG Marke CARAVAN 400 EURO
EICHENSARG Marke Chateau 600 Euro

Ich musste tief schlucken, als ich diese Preise las. Das waren Dumpingangebote. Es ergab sich die Frage, wieso die so billig anbieten konnten.
An der Zwischenwand, welche außen die Schaufenster voneinander räumlich trennte, war eine Art Preistafel angebracht. Man konnte folgendes lesen:

- PREISHAMMER DER WOCHE -
Unser Berechnungsbeispiel:
Wir bieten zurzeit eine Erdbestattung (Inhumation. Bis 200 cm Körpergröße und 160 Kg Maximalgewicht), ohne Trauerfeier und ohne Blumenschmuck im anonymen Grab im Postleitzahlengebiet 60486 inkl. Gebühren und Friedhofskosten für z.B. 1.500 Euro im Eichensarg inklusive sechs Griffe aus Messing an.

Innenausstattung:
- Liegebereich: Krepppapier, umweltverträgliche Folie, bequeme Bauwollmatratze, Kissen und Decke.

- Deckelbereich: Unverkleideter Holzblick
Im Preis sind alle Kosten (auch für den erforderlichen Verwaltungsschriftwechsel wie z.B. für Standesamt, Meldeamt, Krankenhaus, Rentenkasse, Krankenkasse, Sterbeurkunde) inkl. Überführung innerhalb Deutschlands im verschweißten Zinksarg schon enthalten.

Auf Wunsch bestatten wir gegen einen kleinen Aufpreis auch im Sarg aus Mahagoni, Kirschbaum und auch in Designersärgen unter wahlweiser Verwendung von umweltverträglichem Kunstharz.
Nur auf Anfrage nennen wir Ihnen die Preise/ Zuschläge/ Ersparnisse für:
- Grabredner
- gewünschte Kremierungen (Einäscherungen, Feuerbestattungen in Verbrennungssärgen ohne Griffe)
- Diamantbestattungen (Transformation der Krematoriumsasche in einen Diamanten durch einen Vertragspartner im Ausland)
- Seebestattungen (begleitet und unbegleitet):
Zubuchbar: 160 Dezibel-Nebelhornsignale als "letzten Gruß"des Kapitäns von der Brrrrücke.
(1) 1-mal Hupen 3 Euro.
(2) 3-mal Hupen 10 Euro.
(3) Flatrate Hupen 25 Euro (vorbehaltlich von Einschränkungen durch lokale Hafen- und Seegesetze)
(4) Ohrstöpsel zum Gehörschutz 1 Euro
- Bergbachbestattungen (Klamm-, Sturzbach-Gefahrenzuschlag 25 Prozent)
- Weltraumbestattungen (Mit russischer Trägerrakete hochkatapultiert * катапультировался с российской ракеты-носителя)
- Luftbestattungen
- Baumbestattungen
- Felsbestattungen
- Almwiesenbestattungen
- Hockergrabbestattungen (Tot 50 procent korting)
- Sarkophag-Beerdigung( دفن التابوت ) nach Pharaonenart inkl. Einweisung der Hinterbliebenen durch einen ägyptischen Mumienspezialisten ( المتخصصين )
- Kryonik (Einfrieren in flüssigem Stickstoff bei - 196 Grad C.)
- personalisierte Särge und Urnen
- Verwendung individualisierter Sterbekleidung wie z. B. Verwendung eines eigenen geeigneten Anzuges - auch Karnevalskostüm, Taucheranzug (Zuschlag erforderlich für die Ausstattung des Verblichenen mit Taucherbrille, Schnorchel und Flossen (vorbehaltlich Schwimmflossengrößen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Sarginnenmaße)), TuTu-Ballettkostüm oder Fußballtrikots - mit einer Ersparnis von ca. 40 Euro)
- Beisetzungen von Haustieren auf Pet Cemetery. Auch spezielle Wünsche werden erfüllt. So z. B. Beerdigung des verblichenen Hundes auf dem Hyde Park Dog Cemetery, dem ältesten Tierfriedhof von England seit 1881 n.Chr..
- Coffins für Tiere (Kanarienvogel, Hunde, Katzen, Exoten...etc.)


Ich gebe zu, dass mich die Angebotsvielfalt und Preisgestaltung zunächst sprachlos machte. Mir wurde jetzt klar, dass unsere traditionellen Bestattungsunternehmen, mit Recht hiergegen protestierten. Die Preise waren eine offene Kriegserklärung.
Es half ja alles nichts. Ich musste das Geschäft betreten. Irgendwo würde ich schon Ansatzpunkte finden, damit ich irgendwie wieder aus dem Pachtvertrag rauskam.
Ich öffnete die Ladentür in der Erwartung, dass mir gleich laute hämmernde Punkmusik und umherirrende weiße Ratten entgegenschlugen.
Nichts von dem war der Fall.
Als ich die Tür öffnete und eintrat, ertönte ein leiser Klingelton und es war nicht Punkmusik, welche mir entgegenschlug, sondern leise klassische Musik aus mehreren Lautsprechern. Aus einer Ecke des auffallend hell gestrichenen Innenraums kam gleich einer der Irokesen auf mich zu und fragte mich mit einer überraschend freundlich warmen Stimme und hell blinkenden Augen, was im diametralen Gegensatz zu seinem schwarzen martialischen Outfit stand, was er für mich tun könnte, nachdem er sich mir als Freddy Ruprecht vorgestellt hatte.
Ich muss gleich an dieser Stelle zugeben, dass Ruprecht auf mich aus der Nähe betrachtet einen sehr gepflegten und sauberen Eindruck machte.

Pauli (lügend):"Guten Tag Herr Ruprecht, ich interessiere mich für einen Bestattungsvorsorgevertrag."

Ruprecht:"Kein Problem. Da sind Sie bei uns richtig. Kommen Sie mit nach hinten, da haben wir unsere Kundensitzecke, wo wir uns ungestört darüber unterhalten können."

Pauli:"Ähhh, eine Frage vorweg. Kostet Ihre Beratung etwas?"

Ruprecht (lächelnd):"Nein, natürlich nicht. Sie brauchen mir zunächst noch nicht einmal Ihren Namen zu nennen. Unsere Geschäftsphilosophie beruht auf einer antikommerziellen Grundeinstellung."

**** "Antikommerziell!?". Das hatte mir damals gerade noch gefehlt. Wenn die "Ringo Rüpel & Freddy Ruprecht GbR" die günstigen Preise auch noch aus sozialen Erwägungen heraus so niedrig kalkuliert hatten, dann wurde die Konkurrenzsituation zu den seit Jahrzehnten fest etablierten anderen Bestattern unseres Bistums noch viel problematischer. *****

Pauli (Ruprecht und er hatten zwischenzeitlich in der bequemen Kunden Ledersitzecke Platz genommen):"Herr Ruprecht, ich bitte um Verständnis, dass ich zunächst, bevor ich einen Bestattungsvorsorge-vertrag bei Ihnen unterschreibe,etwas mehr über Ihre Firma wissen will."

Ruprecht (irgendwie im jovialen Tonfall):"Das ist normal und verständlich. Schließlich unterschreibt man so etwas ja nicht jeden Tag. Fragen Sie, was Sie wollen. Wir betreiben eine völlig offene Informationspolitik."

Pauli:"Zuerst bin ich als möglicher zukünftiger Kunde ja daran interessiert, dass Ihre Firma nicht nur heute, sondern auch in den nächsten Jahrzehnten wirtschaftlich dazu in der Lage ist, übernommene vertragliche Verpflichtungen auch zu erfüllen. ......Nachhaltigkeit ist für mich sehr wichtig. ....Nebenbei, wo ist denn Ihr Herr Rüpel?"

Ruprecht:"Der ist ständig unterwegs. Täglich zweimal Holland und wieder zurück."

Pauli:"Da sind die Krematorien ja auch sicherlich preiswerter......."
Ruprecht (lächelnd unterbrechend):"....Genauso ist es. Und auf der Rückfahrt nimmt er dann gleich Blumen vom Plantencentrum für den Grabschmuck mit. Die sind da auch diesbezüglich preiswerter, bei oft besserer Qualität. .......Aber kommen wir zurück auf die Nachhaltigkeit. Ich weis schon, worauf Sie hinauswollen. .......Unsere spezielle Werbung in der Zeitung und unsere günstigen Preise werden schnell falsch verstanden. Für einige Interessierte wirkt unser Auftritt fast verdächtig. Ich kann Ihnen aber versichern, dass die Zeitungsannonce reine Public Relation war. Das sehen Sie schon allein an unserem aggressiven Satz "!KAUFE DREI, BEZAHLE ZWEI!". Kennen Sie Jemanden, der zur gleichen Zeit drei Särge auf einmal benötigt? Das sollte nur unser gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bewusst provokativ unterstreichen. Auf Deutsch: Das ist ein Angebot, welches normalerweise ins Leere geht und deswegen leicht ausgesprochen werden kann, da am Ende kein Abruf durch die Kunden erfolgen wird. Interessanterweise hat sich das aber anders entwickelt, als wir gedacht hatten."

Pauli:"Ach so. Da haben Sie wohl recht. Aber kommt das Ihren Kunden nicht komisch vor, dass man ungewöhnliche Produkte wie Särge, wie normale Konsumgüter mit markigen Rabattversprechen anbietet?"

Ruprecht:"Ich muss mich entschuldigen!"

Pauli:"Für Ihre Reklame?"

Ruprecht:"Nein, dass ich Ihnen noch keinen Kaffee angeboten habe. Möchten Sie eine Tasse trinken? Sie sind herzlich dazu eingeladen."

**** Ich war ein wenig überrascht, dass plötzlich das mit dem Kaffee kam. Ich war aber fest entschlossen mich dadurch nicht ablenken zu lassen. ****

Pauli:"Ja danke, ich nehme Ihr Angebot gerne an. Bitte aber den Kaffee ganz schwarz, also ohne Milch."

**** Ruprecht stand auf und verschwand kurz in einem kleinen Seitenraum, welcher wohl als Küche verwendet wurde. Als er zurückkam, stellte er mir einen köstlich riechenden Kaffee hin, welcher in einer außergewöhnlich gestalteten antik wirkenden teuren Porzellantasse serviert wurde. ****

Ruprecht (im nachdenklichen Tonfall):"Zurück zu Ihrer Frage von vorhin. Hier sprechen Sie einen interessanten Punkt an. .....Aber gestatten Sie mir eine Gegenfrage. Wie hätten Sie reagiert, wenn wir ein Brautmodengeschäft wären und wir in unserer Zeitungsanzeige "DREI BRAUKLEIDER FÜR DEN PREIS FÜR ZWEI" angeboten hätten?"

Pauli:"Ich hätte das für einen Witz gehalten. Ich hätte mir vielleicht gedacht, dass hier eine gute Gelegenheit für drei heiratswillige Frauen wäre, sich zu dritt kurzfristig zusammenzuschließen, um den Rabatt gemeinsam einzustreichen und intern später unter sich aufzuteilen."

Ruprecht:"Ja. Und diese Möglichkeit besteht auch bei uns."

Pauli:"Ähh, wie soll das funktionieren?"

Ruprecht:"Seit wir das Internet haben, finden sich urplötzlich Menschen zum gleichen Zeitpunkt mit gleichem Bedarf in Foren und Plattformen wieder. 3 haben zur gleichen Zeit eine Beerdigung und deswegen kaufen diese bei uns 3 Särge um den Rabatt rauszuschlagen, den diese dann intern wieder unter sich aufteilen."

Pauli:"Also, so etwas wie eine in Umsatz sich realisierende Schwarmintelligenz? Eine kurzfristige Kooperation des Hom(o)-oeconomicus. ...Und das funktioniert?"

Ruprecht:"Scheint so zu sein. Wir haben hier bereits über 20 Anfragen von Kaufgemeinschaften vorliegen. Wobei ich zugebe, dass das natürlich auch Mitbewerber sein können, welche billig an Särge kommen wollen, um diese dann selbst wieder unter eigenem Namen weiterzuverkaufen."

Pauli:"Und das ist Ihnen egal?"

Ruprecht:"Ja! Total egal. Unser Problem liegt zurzeit mehr darin, dass wir umfangreiche Holzvorräte unser Eigentum nennen, welche wir langsam mal los werden müssen."

Pauli:"Holz ist teuer. Wie kommen Sie an diese Holzvorräte?"

Ruprecht:"Nachdem ich mein Studium der Philosophie abgeschlossen hatte, habe ich von meinem reichen Onkel, dummerweise unmittelbar nach der letzten Sturmkatastrophe, u. a. überraschend ein größeres Mischwaldgebiet geerbt. Die Bäume sind da wie Streichhölzer umgeknickt. Bäume mit losem Wurzelwerk fielen auch auf zahlreiche Eichen, welche dadurch so stark beschädigt wurden, dass diese kurzfristig gefällt werden mussten. Da ist mir und meinem Geschäftspartner Ringo, welcher gelernter Schreiner ist, der spontane Gedanke gekommen, dieses Holz sozialverträglich zu vermarkten. Auf Deutsch: Wir stellen unsere Produkte aus Holz her, was uns zurzeit außer Fäll- und Transportkosten nichts kostet."

Pauli:"Und diese Kostenersparnis geben Sie jetzt an andere, fast auf Selbstkostenbasis, weiter?"

Ruprecht:"Ja! Warum nicht?"

Pauli:"So etwas findet man selten heute, dass Menschen noch so sozial engagiert sind."

Ruprecht:"Ob Sie es glauben oder nicht. Das ist unsere Lebenseinstellung. Geld interessiert uns nicht besonders. Es muss nur so viel Geld reinkommen, dass wir halbwegs durchschnittlich davon leben können."

**** Das hatte mir gerade noch gefehlt. Wenn die GbR kaum Einkaufskosten hatte und auch keine besondere Gewinnabsicht, dann würde der Konflikt mit den Mitbewerbern noch größer werden. Zudem war nichts tödlicher für uns, als sich auch noch mit sozialen Wohltätern anzulegen. Wenn das in die Presse käme, wäre klar, auf wessen Seite die Öffentlichkeit stände.****

Pauli (hört die Türklingel läuten):"Ähh, ich glaube, da kommt gerade jemand rein. Wir können ja eine kleine Gesprächspause machen. Wo ist denn hier die Toilette?"

Ruprecht:"Hier durch die Tür und dann 5 Meter weiter rechts, genau neben der Hoftür. ....Ach ja, da kommen ja die Sargträger, die wollen bestimmt nur was abholen. Ich bin gleich wieder da."

**** Auf dem Weg zur Toilette sah ich noch kurz aus den Augenwinkeln die Blues Brothers, welche hier anscheinend als Sargträger arbeiteten, diesmal mit dunkler Sonnenbrille, in den Laden schreiten. Mir war klar, dass ich für den Toilettengang jetzt etwas längere Zeit einplanen musste, da ich verhindern musste, dass diese mich eventuell erkannten. Meine Tarnung wäre damit erledigt gewesen.
Ich verschwand also schnell durch die Tür und schloss diese schnell hinter mir wieder. Fünf Meter weiter rechts befand sich die Kundentoilette. Da wollte ich aber gar nicht hin. Die Hoftür war zum Glück unverschlossen und so schlüpfte ich kurz hinaus an die frische Luft. Im Hofraum angekommen sah ich eine Sitzecke, die irgendjemand mit Klapptisch und ein paar Gartenstühlen dort eingerichtet hatte. Neben der Sitzecke war ein spindelförmiger Zigarettenaschenbecher, dessen oberer Kelch mit Sand angefüllt war. Auf diesem Sand hatten Mitarbeiter und/oder Kunden unzählige ausgedrückte Zigarettenstummel hinterlassen.
Plötzlich, ich schwöre, dass es wirklich so war, brach der wolkenverhangene Himmel auf und ein heller Lichtstrahl der Sonne fiel genau auf diesen Aschenbecher.
Ich schaute verwundert genauer hin und stutzte. Da lagen nicht nur Zigaretten, sondern auch längliche filterlose zigarettenähnliche Stummel, welche wie eine kegelförmige Miniaturwundertüte geformt waren. Unten spitz und oben mit weiter Brandöffnung. Ich nahm einen dieser Stummel vorsichtig in die Hand und führte diesen zur Nase. Der Geruch und meine Erkenntnis waren eindeutig:
"Die kiffen hier!".
Eindeutig!.
Von wegen Plantencentrum.
Wohl eher Coffeeshop!
Hatte ich es mir doch gedacht, die Katzen lassen das Mausen nicht.
Vorsichtig sammelte ich fünf dieser Kippen zur Beweissicherung ein und steckte diese in meine Jackentasche. Dann ging ich durch die Hoftür ins Haus zurück, öffnete noch kurz die Toilettentür, drückte auf die Klospülung, sodass man das Wasser bis in den Verkaufsraum hinein rauschen hören konnte.
Zurückgekehrt zur Sitzecke stellte ich erleichtert fest, dass die Blues Brothers gerade mit einem leeren Zinksarg das Geschäft verließen. Ich hatte Glück gehabt, die hatten mich gar nicht bemerkt. ****

Ruprecht (zu mir zurückkehrend):"Entschuldigung! Tut mir leid! Das Krankenhaus hat soeben angerufen und meine Kollegen brauchten noch einen Transportsarg, weil diese einen Verstorbenen aus dem Kühlkeller bei denen abholen müssen."

Pauli (scheinheilig):"Macht ja nichts. Aber es ist ja auch schon etwas später geworden. Ich schlage vor, Sie händigen mir mal ein Konzept so eines Bestattungsvorsorgevertrages aus und ich lese mir das zu Hause mal in Ruhe durch. Ich komme dann nächste Woche noch mal vorbei, wenn ich mich dafür entschieden haben sollte."

Ruprecht:"Kein Problem. Ich hole Ihnen die Unterlagen."
Wir standen beide auf und Bestatter Ruprecht holte die Unterlagen aus einer Wandschublade und drückte mir diese in die Hand. Nachdem wir uns mit den üblichen Floskeln verabschiedet hatten, eilte ich zu meiner Dienstente und gab ordentlich auf dem Weg nach Hause Gas.
Zu Hause angekommen fischte ich die fünf Kifferkippen aus meiner Jacke und steckte diese in einen Briefumschlag, welchen ich mit verstellter Handschrift an das örtliche Polizeipräsidium anonym adressierte. Ich fügte einen kleinen Brief mit krakelig verstellter Schrift bei, welcher folgenden Text hatte:

Sehr geehrte Kripo,
schauen Sie doch mal in der Neuenbäckerhörderstr. 217 ohne Voranmeldung vorbei. Vielleicht gibt es dort etwas, was auch Sie interessiert. Ich schlage vor, Sie rauchen da mal eine Zigarette im Hofbereich. Bitte beachten Sie die aussagekräftigen 5 Anlagen zu diesem Brief.
M.f.G


Ich verschloss den Briefumschlag und legte diesen zunächst auf meinen Sekretär, mit dem Plan diesen noch am gleichen Tag in den nächsten öffentlichen Briefkasten zu werfen.
Es dauerte keine 10 Minuten, als mir auch schon moralische Bedenken kamen. Irgendwie war mir nicht wohl bei der Sache. Ich grübelte und grübelte. Dann beschloss ich, Dr.T.Abernakel telefonisch um Rat zu fragen.
Das Telefonat war ziemlich kurz und eindeutig.
Ich bekam die Anweisung, nun das zu tun, was getan werden müsse.
Auf meinen Einwurf, dass ich dann aber möglicherweise Jahre lang ein schlechtes Gewissen haben werde, wurde mir lapidar mitgeteilt, dass ich nach Absenden des Briefes dadurch Trost finden würde, wenn ich mich analog Psalm 26,6 verhalten würde. ..........Ein Gesprächszitat möchte ich hier noch erwähnen. Es lautete:".... Lieber Bruder Pauli, hast Du eigentlich kein Waschbecken im Haus? Wenn nein, dann ist das nicht schlimm. Denn dann bist Du bestens auf Deine neue Missionsstelle in Zentral-Uganda vorbereitet, wenn jetzt noch was schief geht. Da gibt es noch nicht einmal fließendes Trinkwasser."
Dies war Motivation für mich genug den Brief trotz aller Bedenken doch abzusenden.
Nach dem Absenden des Briefes kehrte ich mit einem riesigen Kloß im Hals nach Hause zurück und schaute sofort unter der genannten Psalmstelle nach. Dort stand:
"Ich wasche meine Hände in Unschuld."
Da ich nicht daran glaubte, dass das Händewaschen hier noch etwas nützte, habe ich gleich sicherheitshalber eine Stunde lang geduscht.
Eine Woche später standen die Blues Brother bei mir vor der Tür und baten mich um einen Pachtauflösungsvertrag mit sofortiger Wirkung.
Ich unterlies es natürlich sie zu fragen, ob sie zukünftig den Jailhouse Rock spielen werden.
Selbstverständlich unterschrieb ich sofort.
Ich bin ja kein Unmensch.







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