Der Gugelhupf
- Satire -


Du sollst dich durch Geschenke nicht bestechen lassen!
Geschenke machen die Sehenden blind
und verdrehen die Sache derer,
 die im Recht sind.
 (frei nach 2 Mose 23,8)

Ich weiß nicht mehr genau, wann es war, aber eines frühen Tages, vor fast 10 Jahren, stieg ein schnauzbärtiger Mann zu mir in den Beichtstuhl, wohl um Erlösung von seinen Sünden zu finden. Er stellte sich mir als Abdullah Acikgöz vor, was aus dem türkisch-arabischen ins Deutsche übersetzt wohl in etwa so viel wie Pfiffiger Diener des Herrn bedeutete.
Da gemäß einer damaligen internen Dienstanweisung des Bistums der zuständige Pater vor der Erteilung der Absolution, schon bei kleinen Verdachtsmomenten, regelmäßig zu überprüfen hatte, ob ein reuiger Sünder auch ein regelmäßiger Kirchensteuerzahler war, wurde ich bei diesem Namen erst einmal stutzig.

Pauli (mit belehrender Stimmlage): "Ich habe Sie hier noch nie gesehen Herr Acikgöz. Gehören Sie zu einer anderen Gemeinde? Ich frage nur deshalb, weil wir aufgrund neuer Arbeitsrichtlinien, dazu beauftragt wurden, Beichtwillige gerecht auf die Schultern aller Pfarrer zu verteilen. Das bedeutet, dass Sie sich immer zuerst an Ihren zuständigen Gemeindepfarrer wenden sollen. Nur in akuten Notsituationen machen wir da auch mal eine Ausnahme. Ich bitte hier um Verständnis. Es kam bisweilen sogar vor, dass Menschen mit ähnlich orientalisch klingenden Namen dieses Gotteshaus mit der benachbarten Synagoge verwechselt hatten und hier nur aus Versehen im Beichtstuhl gelandet sind."

Abdullah Acikgöz (Akronym im Folgenden "AA"): "Ich bin neu hier in Ihrem Pfarrbereich, deswegen sind wir uns noch nie begegnet Herr Pauli, aber wenn Sie statt Synagoge Moschee gesagt hätten, könnte ich Ihnen geistig besser folgen."

Pauli (etwas kleinlaut): "Äh, ja natürlich, das verwechselt man sprachlich immer wieder, ......natürlich sollte es Moschee heißen."

AA: "Ich und meine Frau sind seit unserer Geburt Angehörige Ihrer Konfession.....Da ich aber immer wieder diesbezüglich ungläubig angesehen werde, habe ich Ihnen gleich meinen letzten Steuerbescheid mitgebracht, damit Sie schwarz auf weiß sehen können, dass wir nicht aus der Kirche ausgetreten sind."

Pauli: "Äh, lassen Sie den mal stecken, ich glaube Ihnen auch so. ......Wann war den Ihre letzte Beichte?"

AA: "Das muss so vor 3 Jahren gewesen sein."

Pauli: "Das ist aber schon lange her. Hat sich da nicht einiges angesammelt, was Sie mir gerne mitteilen würden?"

AA: "Eigentlich wollte ich keine richtige Beichte ablegen, sondern Sie mehr um Ihren Rat fragen, Herr Pauli."

Pauli: "Na dann legen Sie mal los!"

AA: "Also, ich gebe zu, dass ich stark von der Tradition meiner Vorfahren geprägt wurde. Deswegen fällt es mir oft schwer, Lösungen bei zwischenmenschlichen Problemen zu finden, die nicht darin enden, dass man seinen Mitmenschen beleidigt oder brüskiert. Verstehen Sie? Das Gastrecht, Dankbarkeit und das Ehrgefühl haben in unserer Familientradition einen hohen Stellenwert."

Pauli (unterbrechend): "Sie haben Probleme sich durchzusetzen?"

AA: "Nein, an sich nicht. Innerhalb meiner Familie haben ich damit keine Probleme. Es wird nur schwer, wenn plötzlich überraschende Situationen von außen an mich herangetragen werden. Fremde Menschen wollen mir Gutes tun, übersehen aber dabei, dass diese mich schwer nerven."

Pauli: "Haben Sie ein konkretes Beispiel?"

AA: "Ja, deswegen bin ich hier. ...........Also, meine Frau und ich sind erst vor Kurzem in diese Gegend gezogen. Wir haben eine schöne Erdgeschosswohnung innerhalb eines 10 Familienhauses gemietet und teilen uns die Etage mit zwei anderen Mietern. .........Vor ein paar Wochen stand ich Samstag früh auf, ging zum Gefrierschrank in der Küche, um aus diesem eine köstliche Sahne-Zitronenrolle herauszufischen. Ich hatte vor, diese Sahne Rolle auftauen zu lassen um diese dann genüsslich am Nachmittag zu verspeisen. .....Nachdem ich dies getan hatte, ging ich zur Wohnungseingangstür um die Tageszeitung zu holen, welche der Zeitungsbote jeden Morgen vor die Tür legt. ....Ich öffnete die Tür, senkte meinen Blick zur Fußmatte und war völlig überrascht, dort neben der Zeitung, einen Gugelhupf zu finden. Eingepackt war dieser in wunderschönem durchsichtigen Geschenkpapier. Auch eine kleine Karte war auf die Verpackung geklebt, auf der jemand handschriftlich geschrieben hatte: Viele Grüße von Hans und Katja, Eure Nachbarn."

Pauli (im leicht ironischen Tonfall): "Also ein Gugelhupf. .......Soso. ........Das ist doch so ein runder Kuchen, der aussieht wie das felgenlose Vorderrad von einem Vesparoller, mit einem großen Loch in der Mitte, mit dem Unterschied, dass dieser weitaus besser als ein Vespa-Gummireifen schmeckt."

AA: "Ja genau! Aber es geht noch weiter. ......Ich stand noch verwundert mit dem Kuchengeschenk in der Hand auf der Türschwelle, da näherte sich auch schon meine Frau von hinten und rief begeistert in das Treppenhaus hinein: Das ist aber eine tolle Überraschung. Der schmeckt bestimmt super. Abdullah, den nimmst Du jetzt mit rein und steckst die Sahnerolle wieder in den Gefrierschrank, da Du diese ja auch noch nächste Woche essen kannst."

Pauli: "Ja und wo ist nun das Problem Herr Acikgöz? Ich kenne unzählige Menschen, die froh wären, wenn ihnen der Nachbar was zu essen vor die Tür stellen würde."

AA: "Moment Herr Pauli! Ich bin noch lange nicht fertig! Also ich folgte dem Vorschlag meiner Frau und verspeiste an diesem Samstag den geschenkten Kuchen. ............Eine Woche später. ...........Ich ging am Samstagmorgen zunächst zum Gefrierschrank und holte die köstliche Sahne Rolle hervor, auf die ich mich schon eine Woche lang gefreut hatte. Ich ging danach wieder zur Tür, öffnete diese.....und was lag neben der Zeitung vor der Tür?"

Pauli: "Ein neuer Gugelhupf?"

AA: "So war es!...Eingepackt in durchsichtiger Geschenkfolie und wieder mit einer kleinen Karte versehen auf der stand: Viele Grüße von Hans und Katja, Eure Nachbarn."

Pauli: "Und dann?"

AA: "Meine Frau war wieder, schneller als ich es erwartet hätte, hinter mir und rief gleich begeistert, so laut, dass es jeder Nachbar hören konnte, ins Treppenhaus: Das ist ja wunderbar. Abdullah, stell schnell Deine Sahne Rolle in den Gefrierschrank zurück. Damit die Kühlkette nicht unterbrochen wird. Die Rolle kannst Du ja dann nächste Woche essen."

Pauli (grübelnd): "...Hmm, ich verstehe langsam schon, worauf Sie hinaus wollen."

AA: "Also Herr Pauli, ich bin nicht undankbar, aber ich war schon leicht verärgert, dass mir schon wieder jemand indirekt vorschrieb, was ich als Kuchen zum Nachmittagskaffee zu essen hätte. .......Dies sagte ich, zurückgekehrt in unsere Küche, auch laut und deutlich meiner Frau. .........Diese fing daraufhin mit mir einen kleinen Streit an. ...Ich solle mich nicht so anstellen.... usw., ......könnte froh sein, dass wir so liebe Nachbarn hätten...usw.. Von meiner Idee, mit den Nachbarn mal darüber zu sprechen riet Sie mir energisch ab. Sie hatte Angst, die Nachbarn könnten beleidigt sein. Es sei im Haus bekannt, dass diese außergewöhnlich sensibel wären."

Pauli: "Da hat ein gut gemeintes Geschenk wohl ungewollt Disharmonie gestiftet."

AA: "Und wissen Sie, was das Kurioseste an der Situation war?"

Pauli: "Nee, woher?"

AA: "Während ich mich mit meiner Frau so streite, sehe ich durch das Küchenfenster, wie Hans und Katja Händchen haltend, voller Harmonie, die Straße in Richtung Innenstadt runter laufen."

Pauli (nachdenklich): "Ein bisschen ungerecht ist das schon."

AA: "......Es geht noch weiter! ...Eine Woche später. .....In der Nacht zum Samstag hatte ich einen schweren Albtraum. Ich träumte, dass mir jemand vor unsere Wohnungstür einen 180 cm hohen und 100 kg schweren Schokoladenosterhasen gekarrt hatte. Eingepackt in durchsichtiger Geschenkfolie, mit einem Zettel darauf: Guten Appetit wünschen Euch, Eure Nachbarn, Hans und Katja. .......Im Traum stand wieder meine Frau hinter mir und rief begeistert in das Treppenhaus hinaus: Ja das ist aber toll. So ein schöner Schokoladenhase. Abdullah, in 15 Minuten müssen wir aber in die Stadt, dann muss der Hase weg sein, da wir sonst nicht aus der Wohnung kommen. Ich schlage vor, Du isst den eben mal schnell auf ."

Pauli (mitfühlend): "...Gleich wird mir schlecht! 100 Kilogramm Schokolade in 15 Minuten. Das ist wirklich harter Tabak."

AA: "Schweißgebadet bin ich dann samstags morgens aufgewacht. Ich torkelte leicht zum Gefrierschrank und wollte die Sahne Rolle rausholen. Doch irgendetwas riet mir, vorher besser vor die Tür zu schauen."

Pauli: "Nee! Das ist doch jetzt nicht wahr. Oder?"

AA: "Ich öffnete vorsichtig die Tür und lugte durch den Türspalt nach draußen. Und was lag da?"

Pauli: "Schon wieder ein Gugelhupf?"

AA: "Ja!"

Pauli: "Das ist krass! Wirklich krass. Und wenn man bedenkt, wie das weitergehen könnte. So ein Jahr hat über 50 Wochen!"

AA: "Herr Pauli, was raten Sie mir? Ich habe keinen Bock darauf schon wieder mit meiner Frau zu streiten. Vor einem klärenden Gespräch mit Hans und Katja schrecke ich zurück. Ich möchte deren Gefühle nicht verletzen. Aber so kann es doch nicht weiter gehen."

Pauli: "Also, ich rate Ihnen nun was. Aber von mir haben Sie den Lösungsweg nicht! Haben wir uns verstanden?"

AA: "Hundertprozentig! Von mir erfährt keiner was!"

Pauli: "Also, wenn nächste Woche wieder so ein Kuchen vor der Tür liegt, dann nehmen Sie Ihren Fuß hoch und treten ......rein aus Versehen .....in den Kuchen kräftig hinein. Da ist ja nichts Schlimmes dran. .........So was kann ja mal aus Versehen geschehen, wenn irgendwas unerwartet auf dem Boden liegt. ....Und wichtig ist noch, dass Sie dabei laut und deutlich in das Treppenhaus hineinrufen: Ach her je, jetzt bin ich aus Versehen auf den Gugelhupf getreten....Oh! Wie ungeschickt von mir, nun ist es gleich zum zweiten Mal geschehen. ......Und dann nehmen Sie die sterblichen Reste des Kuchens hoch, wohl wissend das nun alle Nachbarn auf Ihrer Etage durch die Türspione schauen, schreiten damit durch das Treppenhaus zur Hauseingangstür.....öffnen diese....gehen festen Schrittes zur Gemeinschaftsmülltonne und pfeffern den Kuchen laut scheppernd, damit es auch noch der letzte Nachbar oben unterm Dach hört, da rein.

AA: "Wow! Und Sie meinen, dann ist endlich Ruhe?"

Pauli: "Sicher bin ich mir nicht, aber vieles spricht dafür!"

AA: "Und das ist nicht undankbar?"

Pauli: "Nein! Das ist Notwehr!"

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